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mehr als 1000 Beiträge seit 12.09.2014

Infektionsschutz im Betrieb

Mal wieder will ich hier anekdotisch meinen derzeitigen Frust ein wenig von der Seele schreiben...

Ich arbeite in einem Großraumbüro zusammen mit ca. 10 Kolleg*innen in meiner Schichtgruppe plus ca. 10 "Agenten", quasi Außendienstler, die von mir ein briefing erhalten, bevor sie zu ihrem stundenweisen Einsatz ausschwärmen, wo sie quasi als meine Vertretung "vor Ort" fungieren, während ich am Computer schon den nächsten "Fall" bearbeite und auf Rückmeldung der "Agenten" warte, um deren "Fall" abzuschließen.
(Sorry, der Job ist schwierig konkret zu beschreiben, ohne hier meine Stelle zu gefährden, wegen "Betriebsgeheimnisse" und so...)

Bis vor Ostern galt bei uns Maskenpflich im Büro nicht am Schreibtisch und nur bei mehr als zwei Mitarbeitern in einem Raum.
Seit den Feiertagen jetzt durchgehend auch am Arbeitsplatz unabhängig von der Personenzahl. Und der Chef hat inzwischen sogar farbige (meist rosa von der Kinderkrankenstation) Masken verboten, weil er "von weitem erkennen können will, ob es sich um eine medizinische Maske handelt".

Da die Tätigkeit hauptsächlich aus Berechnungen besteht, merkt man die mit längerem Maskentragen verbundenen kognitiven Einschränkungen sehr deutlich, zusätzlich zu dauerndem Kopfschmerz. Auch das unvermeidliche Telefonieren (wie handhaben das eigentlich die Callcenter?!?) mit Maske ist nicht wirklich realisierbar. Selbst in den Pausenzeiten ist in sämtlichen Räumlichkeiten Maske zu tragen. Zur Einnahme von Speisen und Getränken ist der Aufenthaltsraum nur einzeln zu nutzen - Schlangestehen ist seitdem angesagt. Mal eben in der Pause rausgehen ist in einem sicherheitskontrollierten Bereich auch nicht so einfach...
Sprich, frische Luft gibt es nur außerhalb der Arbeit - wenn man nicht gerade in einem "hotspot" wohnt und dort auch draußen Maskenpflicht herrscht...

Inzwischen wurden die ehemals mit einem Meter Abstand aufgestellten Tische ein wenig auseinandergerückt, von "physischen Abtrennungen", die alleine schon als Schallschutzmaßnahme seit Jahren von uns gefordert werden, keine Spur und auch kein Interesse, weil "kostet zuviel".

Eigentlich wäre die gesamte Tätigkeit auch aus dem HomeOffice locker zu erledigen, wenn denn der Wille der Betriebsleitung da wäre. Doch dies würde ja, neben neuen Konzepten, die nicht auf technologischen Vorstellungen der 1980er basieren, wieder Investitionen in Hard- und Software zeitigen, was in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage nicht machbar scheint. Aber Staatshilfe will man ja auch nicht, stattdessen lieber Milliarden auf dem "freien Finanzmarkt" einsammeln...

Neuester Clou sind die vom AG verteilten "freiwilligen" Corona-Selbsttests, die aber gefälligst nicht am Arbeitsplatz durchzuführen sind, sondern nur in der Freizeit. Wäre ja noch schöner, wenn da einer die Arbeit abbrechen müsste, weil das blöde Ding "positiv" anzeigt... Inzwischen wird sogar hinter vorgehaltener Hand dazu aufgefordert, gefälligst nicht während des Schichtblocks sich selbst zu testen, weil man die Personalausfälle nicht mehr kurzfristig kompensieren kann, nachdem die erfahrenen Mitarbeiter, die auch noch die exotischsten und seltensten Lizenzen hielten, dank Abfindungsprogramm und vorgezogener ATZ sich verabschieden durften.
Und natürlich ist bei positivem Schnelltest die Zeit bis zum PCR-Befund mit Zeitkonto (inzwischen dank Kurzarbeit aber schon schwer im Minus), Tarifurlaub oder unbezahlter Freistellung zu überbrücken. Alternativ natürlich auch per gelbem Schein, was aber in Kurzarbeit kaum jemand freiwillig macht...
Stattdessen ist inzwischen der Personalmangel so weit fortgeschritten, dass ganze Abteilungen, die durchweg PCR-positiv getestet wurden, in "Pendel-Quarantäne" sind, sprich voll arbeiten gehen, wobei Kollegenkontakte z.T. unvermeidbar sind, und von daher auf minimale Länge unter strengsten Hygieneauflagen begrenzt sind, was aber in der Realität kaum umsetzbar ist. Aber Gewerbeaufsicht und Gesundheitsamt drücken bei einem "systemkritischen" ÖD-Arbeitgeber schon mal gerne ein Auge zu... und der Betriebsrat dank ver.di auch...

Dem ganzen wird dann noch die Krone aufgesetzt, wenn überall per Plakat oder Email von der Führung eindringlich aufgefordert wird, wechselnde Kontakte zu vermeiden, aber die Leiharbeitskräfte, nachdem man sich derer 30% durch Auslaufen lassen der Verträge entledigt hat, jetzt aus den festen Schichten und dem fixen Dienstplanraster 7-3-7-4 herausgelöst werden und mit abenteuerlichen, z.T. erst 48h vorher mitgeteilten Diensten durch alle Schichtblöcke der Stammbelegschaft gescheucht werden. Hier wird also, bedingt durch den selbstverschuldeten Personalmangel, sogar Kontaktmaximierung betrieben!

Sollte man es wagen, dagegen Kritik zu äußern, so ist die lapidare Antwort inzwischen:
"Kannst ja kündigen, wenn es dir nicht passt. Sollteste dir aber gut überlegen, in dieser Zeit, wo es da draußen auch keine Jobs mehr gibt... Sei froh, dass du überhaupt noch Arbeit hast.". Und das einhellig von Betriebsführung wie Betriebsrat!

Einzig in der Umstrukturierung, Ausgliederung und Pamperung der Verwaltung (zu >90% im HomeOffice mit neuer "Erschwerniszulage" und "Pandemieprämie") ist man ganz vorne mit dabei... ach ja, und bei der Personalrekrutierung für die geplante betriebsinterne Massenimpfung. Derzeit sind Diabetiker da sehr gefragt, weil die ja schon "mit Spritzen umgehen" können. *fp*

Und über allem schwebt das Damoklesschwert, dass unsere Branche ohnehin auf absehbare Zeit tot sein wird, nicht zuletzt aufgrund falscher Schwerpunktsetzungen in der Vergangenheit, und selbst bei sofortiger Aufhebung aller Maßnahmen in DE auf die nächsten Jahre kein Aufschwung absehbar ist.

Aus meinem einstigen Traumjob ist so inzwischen tatsächlich ein Albtraumjob geworden, der mich Tag für Tag, wenn nicht ohnehin schon an physischen Suizid, so doch zumindest an Kündigung (wirtschaftlicher Suizid) denken lässt. So bin ich derzeit bereits dabei, mich komplett umzuorientieren, wohl in Richtung Bestattungswesen, weil dies die einzige Branche ist, der auch eine Pandemie kaum etwas anhaben kann und die selbst eine grüne Regierung kaum so einfach dichtmacht. Mal schauen, was die Zukunft bereithält...

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