dem ich in diesem Umfang zustimmen konnte.
Bin familiär "vorbelastet": mein Großvater, der nie aktiv an irgendeinem Krieg teilgenommen hatte, kam in der Nachkriegszeit in einen Konflikt zwischen seinem Berufsethos und den Machenschaften der sowjetischen Besatzungsmacht, der für ihn tödliche Konsequenzen hatte. Seine Kinder, also meine Onkel, Tanten und meine Mutter, konnten noch "rübermachen", hatten aber zuvor auch unter Verfolgung zu leiden.
Von daher war das Narrativ vom "bösen Russen", sowie vom "bösen Roten", in der Familie allgegenwärtig, zu meiner Kindheit und Jugend bis zum Ende der Schulzeit sowieso, die mitten in die Spät- und Schlußphase des Sowjetimperialismus fiel.
Dabei war ich den Ideen von einer Gesellschaftsordnung, die der Konzentration von Macht und Wohlstand in den Händen weniger eine Absage erteilt, alles andere als abgeneigt. Zu den Lieblingsbüchern meiner Jugend gehörten ausgerechnet zwei von sowjetischen Autoren aus den 50ern, deren Handlung jeweils in einer (explizit allerdings nur kurz erwähnten) kommunistischen Gesellschaft (in dem einen Fall sogar weltweit bzw. über die Grenzen des Planeten hinaus) spielte.
Auch die in den Lehrplänen zumindest meines Schulstandort-Bundeslandes enthaltene und in der Praxis zumindest meiner durchaus wohlwollend gestaltete Beschäftigung mit dem Wirtschaftssystem "drüben" weckte in mir zumindest "schubweise" das Interesse, das Ganze auch mal im real life zumindest "anzuschauen".
Doch immer wenn sich so ein Interesse gerade zu regen begann, passierte auf der politischen Ebene irgendwas, das das Bild vom "evil empire" wieder aufleben ließ.
Und meine beiden einzigen echten Kontakte mit "drüben", je ein Familienbesuch und eine Klassenfahrt in die damals noch real existierende DDR (1.0) mit ihrer ganzen Tristesse und Mangelwirtschaft, waren bestens dazu geeignet, zumindest schwere Zweifel am "Taug" des dortigen Systems zu säen und die "WIR sind die Guten"-Einstellung wieder im vollem Umfang aufzubauen.
Es bedurfte auch erst einer gerade in die Zeit der "Ostblockimplosion" fallenden Begegnung mit einer Kommilitonin aus einem von US-"Stellvertreterkriegen" gebeutelten Land, um meine bis dahin nahezu uneingeschränkt positive Einstellung zum "Westen" zu erschüttern.
Den Wechsel von der Gorbatschow- zur Jelzin-Ära sah ich anfangs durchweg positiv. Daß Rußland zu der Zeit ziemlich "den Bach runterging" erschien mir eher eine logische Folge der nun eben nicht mehr durch Repression und Dirigismus kaschierbaren Mißwirtschaft vergangener Jahrzehnte zu sein, "da müssen sie halt jetzt durch".
Daß Jelzin und das unter ihm sich etablierende System selbst dazu erheblich beitrugen, wurde mir erst später bewußt.
Tja, und dann kam Putin... "endlich wirklich einer aus einer neuen Generation", so meine ersten Gedanken, und was so alles über ihn berichtet wurde, ließ die Erwartung aufkommen, daß da jetzt jemand das Sagen hatte, der die Verwerfungen der letzten Jahre geradezurücken zumindest bereit war.
Dann die erwähnte Rede Putins vor dem Bundestag, ich war begeistert.... Eine "paneuropäische Union" (oder zumindest Wirtschaftsgemeinschaft) über die ehemaligen Blockgrenzen hinweg, mit Rußland und weiteren nach Überwinden der postsowjetischen Irritationen aufstrebenden Ländern schien greifbar nahe. Was hätte man da alles zustandebringen können...
In den Folgejahren war ich dann umso enttäuschter, daß "hier" niemand die ausgestreckten Hände zu greifen bereit war.
Und daraus erwuchs schließlich ein gewisses Verständnis dafür, daß auch Rußland, sprich "Putin", sich nicht mit der Rolle des von den "Großen" immer wieder mißachteten kleinen Jungen zufriedengeben woltle und sich halt mittel- und langfristig andere "Spielkameraden" suchte.
Mit der Opposition gegen Putin hingegen fremdelte ich ziemlich, vor allem wenn sie sich in Form solch durchgeknallter Typen wie denen von "Pussy Riot" usw. manifestierte.
Nennenswert geändert hat sich das erst mit der Krimkrise... wobei ich da in der Sache eigentlich eher noch zuzustimmen bereit war, wenn man sich mal die Vorgeschichte ansieht. Denn seinerzeit hätte man bei der Abspaltung der ex-Sowjetrepubliken doch wirklich mal etwas genauer hinschauen und sich anstelle der tlw. recht willkürlichen internen Grenzziehungen und Gebietszuschreibungen der Sowjetära eher an den lokalen Gegebenheiten orientieren können. Das hätte so manches aktuelle Problem vielleicht nicht ganz ersparen aber wohl doch deutlich abmildern können.
Dann die diversen Machenschaften, mit denen Putin seine Herrschaft intern immer mehr ausbaute und absicherte... und wo sich Akteure in der Corona-Krise so manches Bispiel genommen haben...
Trotzdem war ich noch nicht bereit, mein "mentales Investment ins Vertrauen zu Putin", auch wenn sein Kurs schon sehr deutlich ins Minus gedreht hatte, als Totalverlust zu verbuchen.
Bis vor zwei Wochen!
Bleibt nun zu hoffen, daß er noch zu stoppen ist. Wie auch immer.
ceterum censeo Putinem esse delendum.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (09.03.2022 12:00).