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  • Mnemon

mehr als 1000 Beiträge seit 30.08.2000

Waffensysteme des 21. Jahrhunderts

"Waffensysteme des 21. Jahrhunderts" ein kleines schickes Bändchen
von Stanislaw Lem, 85 Seiten, 1983 geschrieben:

"Es verwischten sich sowohl die Fronten wie die Abgrenzungen zwischen
kleinen und großen Antagonismen. Um in der öffentlichen Meinung des
eigenen Landes das andere Land anzuschwärzen, erzeugten Sonderdienste
einer Geheinindustrie *Falsifitkate* von Elementarkatastrophen auf
dem *eigenen* Territorium, damit ihr unnatürlicher CHarakter
augenfällig sei und jeder Staatsbgürger dadurch gezwungen werde, der
Verdächtigung von Nachbarländern, daß sie eine solch verderbliche
Tätigkeit betreiben, Glauben zu schenken". (S. 81)

Auch ansonsten zahlreiche Einsichten und Ideen, die mal wieder
beweisen, das Lem der wohl beste Futurologe Europas, wenn nicht der
Welt ist.

Die Verlagerung auf eine "smart army" reflektiert die wachsende
Individualisierung der westlichen Gesellschaften, die mehr und mehr
Wert in die Existenz des individuellen Lebens setzen. Oder könnte
sich heute noch jemand "Massenangriffe" im Stil des ersten oder
zweiten Weltkrieges vorstellen?

Gleichzeitig bringt die technische Beschaffenheit den stärker
werdenden Zwang, an der Spitze der technischen Entwicklung zu
bleiben. Dies, und ebenso das Bedürfnis, mehr und mehr Kontrolle
auszuüben, zeigt, das die USA sich mental in der Defensive befinden.
Wer kontrollieren will, fürchtet sich vor Überraschungen.

In Australien baut ein Kerl für $ 5000 einen Marschflugkörper
http://www.interestingprojects.com/cruisemissile/

Für weniger als $ 5000 läßt sich eine Bombe bauen, mit der man ganze
Städte "ausknipsen" kann (zumindest US-amerikanische Städte ;-)):
http://www.airpower.maxwell.af.mil/airchronicles/kopp/apjemp.html

Das Wissen um chemische und biologische Kampfstoffe verbreitet sich
rasend schnell via Internet.

Terroristen werden vermutlich nciht so schnell wirklcih Unfug mit
soetwas anfangen wie die ganzen panischen Massenmedien uns immer
gerne erzählen möchten, um noch ein Sicherheitsgesetz durchzubringen.
Aber für die Waffentechnische Entwicklung denke ich, daß die
allgemeine Durchsetzung des billig-Prozessors in der nächsten
Generationenspanne einen nivellierenden Effekt zeitigen wird: Die
high-tech-Waffen werden entwertet, und das menschliche Element
aufgewertet. Schon jetzt können es sich die USA nicht wirklich
leisten, ihrer "Two-War-doctrine" nachzukommen, nicht, weil es
technologisch nicht machbar wäre, sondern weil der politische Wille
dazu fehlt, die Opfer zu erbringen.

Was nicht heißt, daß die USA in den nächsten 30 Jahren eine
Niederlage zu fürchten hätten (Vietnam war keine Niederlage, sondern
spiegelte lediglich den politischen Willen der Bevölkerung wieder,
die nicht "richtig Krieg" wollte, aber auch nicht aus Vietnam
abziehen). Aber die Kriege werden jetzt byzantinischer statt römisch:
Keine schwere Einheitsinfanterie mehr, sondern kleine Trupps
mochmobilder, technisch perfektionierter Reiter, die, durch
Hilfstruppen ergänzt den Kern eiens von bezahlten Allierten
gebildeten Heeres bilden. Der Sieg wird ebenso erreicht durch
schnelle militärische Schläge wie durch Diplomatie und Verrat (does
that sound familiar?) Der Kriegsherr verkörpert nicht nur das Prinzip
des Rechts, sondern auch das Prinzip des GLaubens und der
Gerechtigkeit, seine Berater sind nicht mehr so sehr durch ihr Amt
legitimiert als durch ihre persönliche Beziehung zum Herrscher, der
sich ihrer Zuneigung durch umfangreiche Zuwendungen sichert (da das
Amt alleine keine Auszeichnung mehr darstellt).

Wir gehen also spannenden Zeiten entgegen... Glücklich, heute zu
leben.

Grüße,

Mnemon


P.S.: Bevor wir hämisch werden, möchte ich daran erinnern, das Byzanz
es war, das einen Großteil der Antike bewahrte, zusammen mit dem
arabischen Kalifat, während wir uns zu diesem Zeitpunkt mit den
Klassikern den rauen Bauernarsch abwischten und Philosophen
verbrannten oder verfaulen ließen, da die menschliche Weisheit ja mit
der Bibel erreicht und abgedeckt war.

P.P.S.: Und um die Analogie auf die Spitze und ins Absurde zu
treiben: Wenn London wirklich das "neue Rom" war und Deutschland
wahlweise Carthago oder Griechenland, Washington also Byzanz und die
Russen die Perser, dann sollten wir uns wirklich nicht freuen, denn:
was ist damals mit dem Rest des Römischen Reiches passiert? :-)

P.P.P.S.: Oder wie Kant das so schön ausdrückte: "Wenn die Araber
gleichsam die Spanier des Orients sind, so sind die Perser die
Franzosen von Asien..."
(zitiert nach: Gernhardt/Bernstein/Waechter: Die Wahrheit über
Arnold Hau, 1966, Zweitausendeins)
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