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mehr als 1000 Beiträge seit 31.10.2001

Wir brauchen eine NEUE Linke

Ich bin ein langjähriger Beobachter politischer Entwicklungen, und -
um das gleich vorneweg zu sagen - ich komme eindeutig aus dem linken
Lager. Ich war als Kind und Jugendlicher in einer sozialistischen
Vereinigung, und ich stehe heute der SPD nahe. Ich komme aus
Westdeutschland. Und ich habe zunehmend ein Unbehagen an der
deutschen Linken.

Ich begrüße, dass die vielen Menschen in Ostdeutschland, die PDS
wählen, und dass auch diejenigen Menschen in Westdeutschland, die
sich durch die SPD nicht mehr ausreichend vertreten fühlten, nunmehr
mit der Linkspartei im Deutschen Bundestag ein Sprachrohr und eine
Interessensvertretung haben. Das ist ja unter anderem das Schöne an
Demokratie.

Ich sehe aber das Problem, dass die linksgerichteten Parteien in
Deutschland leider recht ideenlos agieren. Die bürgerlichen Parteien
haben ein Leitbild, den Neoliberalismus, auf den sie hinarbeiten
können, und mit dem sie Zustimmung für ihre Politik generieren
können. Die linken Parteien stehen jedoch irgendwie immer als Bremser
da. Das ist eine klassische Verkehrung der Positionen! Früher war es
genau umgekehrt. Früher haben linke Parteien auf ein Leitbild
hingearbeitet, auf eine bessere Gesellschaft, und die konservativen
Parteien waren die Bremser, die Reaktionären, die einen Wandel hin zu
einer besseren Welt verhindern wollten.

Das für sich allein genommen ist schon mal ein sehr, sehr großes
Imageproblem. Es ist sogar möglich inzwischen davon zu sprechen, dass
SPD und Linkspartei ökonomisch gesehen konservative Parteien sind.
Das behagt mir nicht.

Was die Linke in Deutschland braucht, das ist ein Leitbild, das sich
nicht darin erschöpft zu sagen "Hey, so wie es ist oder bis vor
einigen Jahren war, ist doch alles Prima!" Denn das ist eindeutig
nicht der Fall. Wir haben Massenarbeitslosigkeit, Arbeit ist
inzwischen fast so etwas wie ein Privileg geworden, und wer sich
nicht gerade daran verheben will, die ökonomischen Grundprinzipien
der Welt zu verändern, so wie Oskar Lafontaine sich das in seinem
Größenwahn vorstellt ("Wir müssen die Globalisierung
entschleunigen"), der muss irgendwie andere Lösungen finden.

Im Prinzip erwünschte ich mir von der Linken, dass sie auf dem Feld
der Wirtschaftspolitik diejenigen Elemente des Neoliberalismus
herausgreift, die erfolgsversprechend scheinen, und sie mit
klassischen linken Positionen vereint.

Beispielsweise würde überhaupt nichts dagegen sprechen, den
Kündigungsschutz völlig abzuschaffen, wenn wir dafür dann aber einen
sozialen Ausgleich schaffen würden. Niemand dürfte bei Verlust seines
Arbeitsplatzes sofort an der Armutsgrenze landen. Es müsste
stattdessen einen Anspruch auf hohes Arbeitslosigkeitsgeld und eine
effiziente Vermittlung oder Weiterqualifikation geben. Dann würde
sich niemand ein Bein brechen, auf den Kündigungsschutz zu
verzichten. Zwar gäbe es dann das von den Unternehmern gewünschte
"Hire & Fire", aber es würde keinen Sturz des Entlassenen in die
Armut nach sich ziehen. Zugleich gäbe es die Chance, dass sich mehr
wirtschaftliche Dynamik einstellt, wie es ja tatsächlich in anderen
Ländern wie Großbritannien und Dänemark zu beobachten ist.

Das war nur ein einziges Beispiel, das ich hier nennen wollte. Ich
wünschte einfach, dass wir aufhören könnten, die Grabenkämpfe von
vorgestern auszutragen und als Linke neue, zukunftsweisende Lösungen
entwürfen.

Linke Politik bedeutet nicht das krampfhafte Festhalten an
Flächentarifverträgen, Kündigungsschutz und Radikalpazifismus. Es
bedeutet für die Probleme der Gegenwart und Zukunft Lösungen zu
finden, die eine Absicherung des Einzelnen gegen soziale
Ungerechtigkeiten ermöglicht.
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