Um es vorwegzunehmen: ich stand einen Großteil meiner 14-jährigen
Schulzeit (Ehrenrunde in der 11. Klasse) mit dem Laden auf dem
Kriegsfuß. Vor allem die Grundschulzeit war ein Greuel, weil ich
genau das Gegenteil eines "Bullys" war.
Und dennoch ist diese Vision einer schulfreien Bildung für mich
ziemlich erschreckend. Offenbar hat diese Zeit bei H. Mühlbauer einen
Knacks für's Leben hinterlassen, während ich mich im Nachhinein mit
dieser Zeit versöhnen konnte.
Die Idee einer Eigenverantwortung im Bildungsbereich ist utopisch wie
die einer friedlichen und gerechten Gesellschaft:
1. Keine soziale Komponente mehr. Viele Freundschaften gründeten sich
damals auf Kindergarten- und Schulzeit. Mit zunehmendem Alter diente
die Schule immer mehr als Austauschplatz für Gedanken und Meinungen,
erste Liebschaften und Schwärmereien, gemeinsame Unternehmungen.
Zusammenarbeit ist ein Grundbaustein der Gesellschaft, den man mit
Gleichaltrigen erlernen sollte.
2. Die Fuzzy-Komponente des Unterrichts fehlt. 30 Schüler in einer
Klasse sorgen für Abwechselung - auch bei den Schwierigkeiten.
Alternative Lösungswege, andere Denkansätze, interessante Irrtümer
und vielfältige Fragen von unterschiedlich denkenden Menschen
erweitern den Horizont jedes Schülers, der in der Lage ist, sich für
ein Thema zu interessieren. Ohne diese Komponente können wir direkt
Multiple-Choice mit wahr oder falsch einführen, die stur
runtergepaukt wird.
3. Die Qualifikation des Helfenden fehlt. Ein elektronisches Medium
beantwortet keine Fragen, sondern urteilt und informiert. Das ist nun
mal kein Mensch, mit dem man reden kann. Oftmals hat derjenige, der
etwas nicht verstanden hat, auch Probleme, seine Frage richtig zu
formulieren. Gerade in der Mathematik, wo der Lösungsweg viele Fallen
bietet, wird es sehr schwer, den Fehler des Schülers genau zu
analysieren.
4. Der aktive Unterricht fehlt. Was hilft ein elektronisches
Lernmedium, wenn man keine chemischen Versuche durchführt, nicht
mikroskopiert, nicht laut lesen lernt, oder bildungsüberschreitende
Interessenförderung wie Kunst/Musik/Sport-Unterricht gar völlig
unmöglich wird? Ich halte letztere Fächer zwar ebenfalls für
überbewertet, aber sie sollten in den ersten Schuljahren schon
präsent sein, solange der Mensch Zeit und Fähigkeit besitzt, Stärken
an sich zu entdecken.
5. Dem Unterricht wird jeder Intellekt geraubt und der Schüler zur
Lernmaschine degradiert. Was ist mit Interpretationen, Lyrik,
Ethik/Philosophie, für die auch schon 14-Jährige beginnen empfänglich
zu werden?
6. Der innere Schweinehund wird hier unterschätzt. Lernen in
Eigenverantwortung führt zur Lustlosigkeit, da in den ersten 7
Schuljahren kaum von der Masse der Sinn des Unterrichts begriffen
wird. Die Hauptinteressen liegen ja wohl ganz klar in der Freizeit.
Wo soll das also hinführen? Die Schule unter Anleitung ist ja nicht
nur als Diktat und Willkür zu verstehen, sondern der Schüler soll ja
neben einer Grundbildung auch seine Lust am Wissen entdecken und dann
später idealerweise in der Lage sein, sich selbst weiterzubilden.
Ganz ohne Zeitplan dahinter geht's nicht.
Ich mache gerade selbst eLearning (3. Fremdsprache), und zwar aus
Zeitgründen, weil ich durch Beruf und andere Verpflichtungen nicht in
der Lage bin, mich in einen Kurs mit festem Zeitplan einzuschreiben.
Es ist verdammt schwer, dranzubleiben, und die Unzulänglichkeiten
merke ich sehr: gerade bei einer Fremdsprache spricht man zu wenig
aktiv, denn die Sprachübungen einer multimedialen Software kommen
kaum auf eine Gesamtdauer, die auch nur der Summe eines
Schulhalbjahres entspricht. Vor allem sind sie kein freier Dialog.
eLearning ist starr, man muss sich dazu zwingen, und es kann aus oben
angeführten Gründen keinen Unterricht durch einen Menschen ersetzen.
Ich finde es ideal dafür, dass man sich ähnlich wie im Fernstudium
auch mit knapper Zeit neuen Wissensgebieten widmen kann, die einem
sonst verschlossen bleiben würden.
Damit aber die Schule abzulösen ist völliger Humbug. Da reden wir von
Chancengleichheit - wie zum Teufel soll ein Kind mit eLearning
chancengleichheit haben, wenn es Eltern von niedrigem Bildungsstand
hat, die es nicht fragen kann? Ah ja, Schule als Strafe. OK, dann
gehen also alle wieder in die Schule, die zuhause die Kurse
vernachlässigten. Was haben wir dann gewonnen? Die Schule wird noch
mehr zum Sammelpunkt sozialer und bildungstechnischer Unterschichten,
und da rutschen dann auch noch die Kinder rein, die zwar begabt, aber
ohne Druck einfach faul sind. Das Experiment ist also fehlgeschlagen,
und ein Jahr verloren.
Wenn Herr Mühlbauer glaubt, durch einen schicken Sack an
Ubuntu/Creative Commons/Open Source/WLAN-Spots ein Bildungsproblem zu
lösen, hat er sich in meinen Augen gewaltig geschnitten. Die
Finanzierung für Einzelunterricht für gewaltauffällige Schüler bleibt
gänzlich ungeklärt, und das voreingenommene Runtermachen von
Schulbusfahrten, Jetlag, Minderung der schädlichen
Elternhauseinflüsse oder gar der Anreiz, sich "wieder Kinder
zuzulegen" (ROTFL) wirkt gar als verzweifelter Argumentationsversuch,
auf Teufel-komm-raus (und mit merkwürdiger Abwertung der aus
Wikipedia zitierten Bedenken) zu der vom Autor gewollten Aussage zu
gelangen.
Vielleicht haben die Bullis Herrn Mühlbauer in seiner damaliger
Schulzeit auch nie mitspielen lassen, oder er ist gerade bei einer
Führungskraft gegen die Wand gelaufen und will sich den Frust von der
Seele schreiben ("Rütli-Bully"... oh je wie billig und
durchschaubar).
Comran
Schulzeit (Ehrenrunde in der 11. Klasse) mit dem Laden auf dem
Kriegsfuß. Vor allem die Grundschulzeit war ein Greuel, weil ich
genau das Gegenteil eines "Bullys" war.
Und dennoch ist diese Vision einer schulfreien Bildung für mich
ziemlich erschreckend. Offenbar hat diese Zeit bei H. Mühlbauer einen
Knacks für's Leben hinterlassen, während ich mich im Nachhinein mit
dieser Zeit versöhnen konnte.
Die Idee einer Eigenverantwortung im Bildungsbereich ist utopisch wie
die einer friedlichen und gerechten Gesellschaft:
1. Keine soziale Komponente mehr. Viele Freundschaften gründeten sich
damals auf Kindergarten- und Schulzeit. Mit zunehmendem Alter diente
die Schule immer mehr als Austauschplatz für Gedanken und Meinungen,
erste Liebschaften und Schwärmereien, gemeinsame Unternehmungen.
Zusammenarbeit ist ein Grundbaustein der Gesellschaft, den man mit
Gleichaltrigen erlernen sollte.
2. Die Fuzzy-Komponente des Unterrichts fehlt. 30 Schüler in einer
Klasse sorgen für Abwechselung - auch bei den Schwierigkeiten.
Alternative Lösungswege, andere Denkansätze, interessante Irrtümer
und vielfältige Fragen von unterschiedlich denkenden Menschen
erweitern den Horizont jedes Schülers, der in der Lage ist, sich für
ein Thema zu interessieren. Ohne diese Komponente können wir direkt
Multiple-Choice mit wahr oder falsch einführen, die stur
runtergepaukt wird.
3. Die Qualifikation des Helfenden fehlt. Ein elektronisches Medium
beantwortet keine Fragen, sondern urteilt und informiert. Das ist nun
mal kein Mensch, mit dem man reden kann. Oftmals hat derjenige, der
etwas nicht verstanden hat, auch Probleme, seine Frage richtig zu
formulieren. Gerade in der Mathematik, wo der Lösungsweg viele Fallen
bietet, wird es sehr schwer, den Fehler des Schülers genau zu
analysieren.
4. Der aktive Unterricht fehlt. Was hilft ein elektronisches
Lernmedium, wenn man keine chemischen Versuche durchführt, nicht
mikroskopiert, nicht laut lesen lernt, oder bildungsüberschreitende
Interessenförderung wie Kunst/Musik/Sport-Unterricht gar völlig
unmöglich wird? Ich halte letztere Fächer zwar ebenfalls für
überbewertet, aber sie sollten in den ersten Schuljahren schon
präsent sein, solange der Mensch Zeit und Fähigkeit besitzt, Stärken
an sich zu entdecken.
5. Dem Unterricht wird jeder Intellekt geraubt und der Schüler zur
Lernmaschine degradiert. Was ist mit Interpretationen, Lyrik,
Ethik/Philosophie, für die auch schon 14-Jährige beginnen empfänglich
zu werden?
6. Der innere Schweinehund wird hier unterschätzt. Lernen in
Eigenverantwortung führt zur Lustlosigkeit, da in den ersten 7
Schuljahren kaum von der Masse der Sinn des Unterrichts begriffen
wird. Die Hauptinteressen liegen ja wohl ganz klar in der Freizeit.
Wo soll das also hinführen? Die Schule unter Anleitung ist ja nicht
nur als Diktat und Willkür zu verstehen, sondern der Schüler soll ja
neben einer Grundbildung auch seine Lust am Wissen entdecken und dann
später idealerweise in der Lage sein, sich selbst weiterzubilden.
Ganz ohne Zeitplan dahinter geht's nicht.
Ich mache gerade selbst eLearning (3. Fremdsprache), und zwar aus
Zeitgründen, weil ich durch Beruf und andere Verpflichtungen nicht in
der Lage bin, mich in einen Kurs mit festem Zeitplan einzuschreiben.
Es ist verdammt schwer, dranzubleiben, und die Unzulänglichkeiten
merke ich sehr: gerade bei einer Fremdsprache spricht man zu wenig
aktiv, denn die Sprachübungen einer multimedialen Software kommen
kaum auf eine Gesamtdauer, die auch nur der Summe eines
Schulhalbjahres entspricht. Vor allem sind sie kein freier Dialog.
eLearning ist starr, man muss sich dazu zwingen, und es kann aus oben
angeführten Gründen keinen Unterricht durch einen Menschen ersetzen.
Ich finde es ideal dafür, dass man sich ähnlich wie im Fernstudium
auch mit knapper Zeit neuen Wissensgebieten widmen kann, die einem
sonst verschlossen bleiben würden.
Damit aber die Schule abzulösen ist völliger Humbug. Da reden wir von
Chancengleichheit - wie zum Teufel soll ein Kind mit eLearning
chancengleichheit haben, wenn es Eltern von niedrigem Bildungsstand
hat, die es nicht fragen kann? Ah ja, Schule als Strafe. OK, dann
gehen also alle wieder in die Schule, die zuhause die Kurse
vernachlässigten. Was haben wir dann gewonnen? Die Schule wird noch
mehr zum Sammelpunkt sozialer und bildungstechnischer Unterschichten,
und da rutschen dann auch noch die Kinder rein, die zwar begabt, aber
ohne Druck einfach faul sind. Das Experiment ist also fehlgeschlagen,
und ein Jahr verloren.
Wenn Herr Mühlbauer glaubt, durch einen schicken Sack an
Ubuntu/Creative Commons/Open Source/WLAN-Spots ein Bildungsproblem zu
lösen, hat er sich in meinen Augen gewaltig geschnitten. Die
Finanzierung für Einzelunterricht für gewaltauffällige Schüler bleibt
gänzlich ungeklärt, und das voreingenommene Runtermachen von
Schulbusfahrten, Jetlag, Minderung der schädlichen
Elternhauseinflüsse oder gar der Anreiz, sich "wieder Kinder
zuzulegen" (ROTFL) wirkt gar als verzweifelter Argumentationsversuch,
auf Teufel-komm-raus (und mit merkwürdiger Abwertung der aus
Wikipedia zitierten Bedenken) zu der vom Autor gewollten Aussage zu
gelangen.
Vielleicht haben die Bullis Herrn Mühlbauer in seiner damaliger
Schulzeit auch nie mitspielen lassen, oder er ist gerade bei einer
Führungskraft gegen die Wand gelaufen und will sich den Frust von der
Seele schreiben ("Rütli-Bully"... oh je wie billig und
durchschaubar).
Comran