Nachdem vor einigen Wochen noch die Verletzung der Schulfplicht im Vordergrund stand, demonstrierenden Schülern sowie unterstützenden Eltern Strafen für das "Schule schwänzen" angedroht wurden, und selbst Merkel hinter den Protesten irgendwelche sinistren Kräfte vermutete, hat sich der Ton inzwischen geändert. Das könnte auch daran gelegen haben, dass viele junge Menschen kurz davorstanden, gegen die Schulfplicht selbst auf die Straße zu gehen; aus den oben genannten Gründen oder weil man von Ihnen verlangte, nachmittags oder gar abends zu streiken. Was vergleichbar damit war, als ob man von einem Volljährigen erwarten würde, doch bitte nach der Arbeit streiken zu gehen...
Mit Protesten gegen die Schulfplicht wären sie übrigens ziemlich allein gewesen. Es gibt EU-weit überhaupt nur zwei andere Länder außer D, in denen absoluter und undifferenzierter Zwang zur physischen Anwesenheit in der Schule vorliegt. Eines davon ist (wen wundert's?) Erdogans Türkei, in der die Pflicht in 2012 auf 12 Jahre angehoben wurde. Andere Länder haben inzwischen eine Bildungspflicht eingeführt - und sind in den PISA-Tests ganz vorn mit dabei.
Die Unmündigkeits- und Vereinnahmungsdebatte (wie auch hier im Forum vielfach gesehen) gibt's konsequenterweise in diesem Ausmaß nur in Deutschland. Nur hier können sich Erwachsene nicht vorstellen, schon als Minderjähriger (fachlich fundiert) für eigene Überzeugungen nicht nur einzustehen, sondern auch Gegenwind in Kauf zu nehmen. Sie selbst haben es in ihren ErZIEHungsanstalten nicht gelernt. Sie wurden mit 18 in ein "freies Leben" entlassen, mit dem sie nichts anfangen können, weil sie ab dem Alter von sieben Jahren hauptsächlich eines gelernt haben: zu gehorchen (Buchtipp, der dazu passt: Arno Gruen, "Wider den Gehorsam".)
Ein bissel Neid ist vielleicht auch hier und da dabei, weil diese Generation endlich mal wieder den Arsch hochkriegt, nachdem im Westen seit '68 und im Osten seit '89 weitgehend Ebbe war. Schön, dass die Zahl der Erwachsenen auf den Demos trotzdem ebenfalls weiter zunimmt.