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Avatar von sennahoj

mehr als 1000 Beiträge seit 17.07.2001

Re: Totalitarismus

Bellisperennis schrieb am 02.04.2019 15:10:

Jesus hat alles richtig gemacht -oder doch nicht?

Aus der Sicht eines Menschen, dem seine körperliche Existenz das Wichtigste ist, hätte er darauf verzichten sollen, (zweimal!) den Tempel "zu reinigen" indem er Geldwechsler und Händler mit Schimpfe und Peitsche davon jagte. Gerade dafür wurde er als Staatsfeind, als "Terrorist" ans Kreuz genagelt. Um Religion ging es nie, sondern um Macht und Geld. Das einzige, was die Geldwechsler und Händler anbeten bis heute ist der Mammon, und manche vielleicht den Leibhaftigen.

Da haben wir die Masse, das Volk, materialistisch veranlagt, ungebildet und abergläubisch, mit dem wirren Gedanken, man könne einen transzendenten Gott durch materielle bzw körperliche Opfer bestechen.

Dann haben wir da die Händler, die aus diesem wirren Gedanken Geld machen (und den Hals nie voll kriegen).

Dann die Geldwechsler, die Kredite vergaben und bestimmen durften, wofür das Geld auszugeben sei.

Ja, und hinter den Kulissen sehen wir spöttisch lächeln den Hohepriester, die Pharisäer und die Tempelverwaltung, die, entgegen den eigenen Regeln, Pacht von den Budenbesitzern im Tempel verlangt.

Jesus hat das ganze öffentlich angeprangert. Das war sein Todesurteil.

https://de.sputniknews.com/kommentare/20190331324541307-peterson-hass-korrektheit/

Ach je, sowas darfst du doch nicht mit mir machen.
Vorweg, ich habe mir schon genug von Petersons Videos angesehen, so dass es dann wohl kein Ende nähme, dazu Stellung zu nehmen.
Allein die vielen Stunden seiner Vortragsreihe über das alte Testament sind Quelle endloser Diskussionen.

Aber ok nehmen wir die Essenz davon:
„Stehe aufrecht und nehme dein verdammtes Kreuz auf dich!“

Ich würde hier abweichend vom biblischen Text ergänzen:
„Und dann folge nicht mir nach, sondern gehe deinen eigenen Weg.“

Doch nun zu Jesus.
Da gab es einen Vertrag zwischen dem Volk Israel und IHR. In dem war festgeschrieben worden, dass der Erlöser - oder die Erlösung – dann kommen werde, wenn die Menschen gemäß der Gesetze leben würden.
Und das ist eigentlich ziemlich banal, zumindest wenn die Gesetze gute Gesetze sind, dann entsteht schließlich aus ihrer Einhaltung ein friedliches Miteinander und das ist schon mal der größte Teil bei dem Bemühen von Leidvermeidung.
Nun machen die Menschen aber zum einen ständig Fehler bei der Einhaltung der Gesetze, das kann man offensichtlich beobachten und zum anderen bleibt der Messias als die Enderlösung ja auch aus.
Was dann diejenigen, die sich über das Gesetz Gedanken machen, dazu bringt, den Menschen mit immer detaillierteren Ausle(u)gungen konkrete Verhaltensvorschriften zu geben.
Da steckt aber keine böse Absicht dahinter.
Man sollte die Pharisäer ebenso wenig für üble Zeitgenossen ansehen, wie den Anklägern des Sokrates schlechte Absichten unterstellen
- Sokrates, wie im „Staat“ nachgelesen werden kann, setzte der Jugend, mit seiner Idee von Philosophenkönig nun doch echt Flauseln in die Köpfe und unterminierte damit die demokratische Staatsordnung-
Die Pharisäer hatte ja die Begabung beim jungen Jesus bereits erkannt und prüften ihn also immer weiter.
In all diesen Prüfungen geht es um sein Verhältnis zum Gesetz.
Und es gibt da gerade eine Spannung zwischen dem römischen Besatzungs- und dem mosaischen Gesetz.
Dürfen Steuern an die Römer gezahlt werden, ist so ein berühmtes Beispiel.

Fest steht allerdings aus der Sicht der Schriftgelehrten dass in Fällen in denen es zum Konflikt kommt, das Einhalten des mosaischen Gesetzes Vorrang habe muss, zumindest für den Messias.
Krass wird das in der Situation, die dann durch die Anklage der Volksaufhetzung entsteht.
Wenn sich vor einem römischen Gericht der Beschuldigte nicht verteidigt, gilt das als Zugeständnis seiner Schuld.
Aber sich vor einem römischen Gericht zu verteidigen lässt sich als Anerkennung der römischen Rechtsordnung interpretieren, und verstößt somit gegen das mosaisches Gesetz.

Also eine gleich dreifach tragische Konstellation.
Die Pharisäer müsse Jesus auf seinen Messiasstatus hin prüfen. Ist er derjenige der das Gesetz bis ins letzte Jota erfüllt.
Pilatus muss gemäß der römischen Rechtnorm das Todesurteil, das auf Volksverhetzung steht, fällen.
Und Jesus muss schweigen, um das mosaische Gesetz einzuhalten. Ob ihn das das als Messias ausweist ist noch eine ganz andere Frage, aber darum geht es jedenfalls.

Das Ganze ist also viel komplizierter als nur so ein bisschen Randale im Tempel und die Bösen sind diese luxusgierigen hohen Priester.

Aber klar es geht dann in der ganzen Geschichte auch um die Fixiertheit der Menschen auf Materialität. Oder weil ohne die Grundbedarfsdeckung geht es halt nicht um die Fixierung auf Reichtum als anfänglich einmal die langfristige Versicherung zur Grundbedarfsdeckung.

Das letzte Peschach.
Jesus macht sich zuerst einmal zum Diener seiner Jünger und wäscht ihnen die Füße.
Dann kommt die Sache mit dem Brot und dem Wein.
Er bricht das Brot und teilt es unter ihnen auf mit den Worten:
„Das bin ich, nehmet und esset alle davon.“
Was ist aber nun mit diesem „ich“ gemeint, bezeichnet das seine Person oder nicht viel eher seine Handlung?
„So bin ich und deshalb haben dann alle etwas zu essen.“
Und dann: „Tue genau das in meinem Gedenken.“
Das macht nun doch wohl viel mehr Sinn als dieser ganze Transmutationszauber der Verwandlung von Brot in Fleisch und ist ebenso einfach wie das einzige Gebot aus dem heraus alle mosaischen Gebote als protheseische Konkretionen hervorgehen: „Versucht doch einfach nett zu einander zu sein. Und wenn dabei mal was nicht klappt, dann verzeiht einander.“


Ob Jesus nun alles richtig gemacht hat oder auch nicht, dass ist doch ohne jede Bedeutung.
Aber inwiefern wir uns bemühen zumindest ein bißchen was richtig zu machen, das zeichnet die Qualität unserer Entscheidungen aus.
Aber wie können wir denn wissen, was das Richtige ist?
Wohlmöglich ist es ja besser die 5000 in die Wüste hinaus zu führen und sie dort herum irren zu lassen bis sie nach 40 Tagen dem Versucher begegnen, der ihnen alle Steine in Brot verwandelt, anstatt sie mit drei Fischen und zwölf Broten abzuspeisen.

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