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  • Dracocephalus

mehr als 1000 Beiträge seit 25.09.2002

Wer nicht schwimmen kann, der ertrinkt

So einfach ist das. Sich damit rausreden zu wollen, man wohne ja
nicht am Wasser, habe ja keinen Gartenteich und wenn doch, ist das
doch alles flach und außerdem kann man ja auch in einer Pfütze
ertrinken, ist peinlich.

Ja, es gibt Länder, wo Wasser so selten ist, dass man es nicht zum
Plantschen vergeudet. Oder man es dank Parasiten lieber nicht
versuchen sollte. Das dort die Schwimmerrate gering ist, wundert
nicht. In Europa ist das nicht der Fall. Es gibt Gräben, Flüssen,
Teiche, Seen, Meere, Kanäle, Schwimmbäder oder auch einfach Wasser
gefüllte Löcher mit nicht geringer Tiefe. Wer nicht schwimmen kann,
ist damit ständig in Gefahr. 

Kleine Kinder darf man nicht aus den Augen lassen. Selbst wenn sie
schon allein zur Schule gehen, könnten sie auf dumme Gedanken kommen
oder die Gefahr nicht erkennen. Teenager habe nur Hormone im Kopp und
begeben sich für Peer-Pressure, Angeberei oder Pluspunkte beim
anderen Geschlecht gern in Gefahr. Und junge Erwachsene lassen Dampf
ab und hauen sich Drogen rein (Alkohol u.a.), was auch den gesunden
Verstand außer Kraft setzt. Naja, und letztlich trifft das dann auch
die Gruppe von 25-105 Jahren. 

Natürlich sollte man schwimmen können! Das muss nicht der beste Stil
sein, man muss nicht mehrere Kilomenter am Stück schaffen oder den
Salto vom 10er, aber man sollte ein paar Meter (so eine 25m Bahn
bietet sich da gut an) im Wasser vorankommen, ohne dabei zu ersaufen.
Im Idealfall mit voller Bekleidung, denn wenn man Wasser aktiv
meidet, wird man wohl kaum passiv auf die Idee kommen, sich
rechtzeitig auszuziehen. Ob das nun mit Hundekrauel, Toter Mann oder
im Delfin zurückgelegt wird, ist überlebenstechnisch egal. Soviel
MUSS man schwimmen können. Alles andere ist optional.

Ich würde mich nicht gut fühlen, wenn jemand vor meinen Augen
ertrinkt und ich nicht helfen kann, weil ich nicht schwimmen kann. Es
sollten natürlich auch nicht zwei ertrinken, weil man sich
überschätzt hat (oder das panische Klammern des anderen unterschätzt
hat), aber dazustehen und jemandem beim Sterben zuzusehen ist nicht
schön. 
Natürlich können auch gute Schwimmer ertrinken und absolute
Nichtschwimmer können sich ans Ufer retten...aber die
Wahrscheinlichkeiten dafür sind eben deutlich geringer. 

Die Schwimmbäder, so es sie denn noch gibt, haben auf das mangelnde
Interesse der Eltern und Gemeinden reagiert und bieten
Schwimmabzeichen an, die den Namen nichtv verdienen. Selbst das
eigentlich brauchbare Seepferdchen wird nach Pi mal Daumen vergeben.
Meine Kinder waren alle bei der DLRG. Es gibt sicher auch andere
Kurse, die die Abzeichen erst verleihen, wenn die Kinder auch
wirklich schwimmen können, aber wir haben diverse Kinder im
Bekanntenkreis gehabt, bei denen es nicht so war. Die DLRG trainiert
eher immer die doppelte Anforderung und drückt dann ein Auge zu, wenn
das nicht erreicht wird, aber die einfache locker geschafft wurde.
Wer da Seepferdchen gemacht hat, der schafft die Bahn nicht nur im
Schwimmbad mit Badehose, sondern auch bei Wellengang in Jeans und
T-Shirt. Mit Bronze konnten wir die Kinder dann tatsächlich
bedenkenlos ins Schwimmbad lassen, ohne immer zu zittern, ob sie
absaufen. Seit sie Rettungsabzeichen haben, können sie auch noch
andere retten, wenn es hart auf hart kommt. 
Zudem haben sie tatsächlich Spaß dran und fit macht es auch noch. Wer
mehrere Kilometer in der Woche schwimmt, der kann dann auch mal Chips
fressend vor dem PC hängen, ohne zur Kugel zu werden. Und es ist
nicht auf einem so hohen Leistungsniveau, dass man jeden Tag
trainieren muss, jedes Wochenende zu einem Wettkampf fährt und der
Körper in den Wachstumsphasen darunter leidet. 

Wir haben es bei Kindergeburtstagen im Schwimm/Spaßbad immer
abgelehnt, Kinder mitzunehmen, die nicht schwimmen können. Entweder
ein Elternteil kam mit oder eben nicht. Die Verantwortung, auf ein
schwimmunfähiges Kind aufzupassen, muss man sich nicht geben. Vor
allem nicht, wenn man die eigenen endlich so weit hat, dass man nicht
mehr hinter ihnen stehen muss^^

Die Begründung für die geringe Schwimmfähigkeit ist wohl eher
kompliziert. Ja, auch die immer weniger werdenden Schwimmbäder sind
ein Grund, aber eher ein geringer. Den größten Anteil hat meiner
Meinung nach die fehlende Freizeit. Wer nicht am Hungertuch nagen
will, bei dem müssen beide Eltern arbeiten. Gerne auch zu unmöglichen
Zeit, Bereitschaft, Wochenenden, Überstunden, etc. Da bleibt nicht
viel Zeit für anderes. Dazu kommt, dass die Kosten für
Schwimmbadbesuche drastisch gestiegen sind. Naja, und einige Menschen
sehen das mit der Notwendigkeit des Schwimmens eben nicht so. Ob das
nun religiöse Gründen sind, kulturelle oder schlicht Unwissen- oder
Faulheit. Und wenn dann wieder ein Kind im Baggersee ersoffen ist,
ist das Jammern wieder groß. Auch in der Politik. Getan wird dann
aber trotzdem nichts. Vielleicht gibt es ein kleines Schild, dass
dieses Gewässer nicht bewacht wird. Aber Rettungsschwimmer einstellen
oder der DLRG mal ein Gartenhäuschen hinstellen, eine Kiste Wasser
und ein paar Schnittchen (was deutlich billiger kommt), findet nicht
statt. Und beim nächsten Toten das gleiche Spiel. 

Ich bin nun auch kein Held im Wasser, aber ich kann schwimmen. Dank
mieser Technik und wenig Übung bin ich nach wenigen Bahnen völlig
fertig, aber wenn ich nur über Wasser bleiben soll, ohne viel Strecke
zu machen, klappt das gut. Damit gewinnt man keine Wettkämpfe, aber
zum Überleben recht es. Und wenn man Schwimmen nicht gerade als Sport
oder Fitness betreibt, dann ist das Überleben der beste Grund, diese
Fähigkeit zu erlernen. 

Aber, wie immer: Jedem das Seine. Wer das nicht will, den soll man
nicht zwingen. Schulschwimmen fände ich gut (bei uns kam das erst,
als die Kinder schon im Rettungskurs waren...immerhin sorgt das dann
für gute Noten^^), aber Rechnen und Schreiben haben Vorrang. 

D.

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