Und der nächste Intellektuelle - halt nein, diesmal muss es die nächste heissen - die hier auf Telepolis einen Ort findet, um persönliche Idiosynkrasien im Zusammenhang mit den Präventivmassnahmen zur Seuchenbekämpfung mit hochgelahrten Kenntnissen, diesmal ist es Foucault, der für diesen Zweck instrumentalisiert wird, in mehr oder weniger sublimierter Form und verborgen unter besten Absichten unter die Leute zu bringen.
Am Anfang war es die Maske, die ganz und gar unnütze Schikane sei, dann der Lockdown, eine einzige Freiheitsberaubung, nun die Impfung, die viel weniger bringe als behauptet und überdies womöglich gefährlich... Nicht zu vergessen die Hobbystatistiker a la Kuhbandner, die mit ihren superioren mathematischen Fähigkeiten in langen, eher schlecht lesbaren Abhandlungen 'bewiesen', dass dieser und jener Wert falsch berechnet oder falsch interpretiert worden sei.
Frequent auch die professoralen Zwischenrufe aus der humanwissenschaftlichen Ecke, wie nun eben, nach einem Hiatus, die Theologin und Philosophin Heike Knops.
Ohne detailliert drauf einzugehen - Foucaults Abrechnung mit bürgerlichen Beherrschungstechniken kann ja wohl nicht so gemeint gewesen sein, auch eine einigermassen rationale Seuchenprävention als solche abzulehnen. Seine Ausführungen sollten vielmehr den Ideologiegehalt und die Unangemessenheit vieler medizinisch begründeter Massnahmen aufweisen, ihren Missbrauch zu Herrschaftszwecken entlarven. Irrational aber wäre die Nicht-Bekämpfung der Pandemie. Irrational waren und sind viele sich dem Schutz der bürgerlich-kapitalistischen Wirtschaft verdankenden Versäumnisse, die das Problem erst so gross haben werden lassen, wie es heute ist.
Es ist eben gerade das vollständig bürgerlich durchtränkte Subjekt, Individuum, dass sich mit der Einsicht in die Notwendigkeit einschränkender Regulierungen enorm schwer tut. (Was übrigens nicht einer kritiklosen Akzeptanz z. B. deutscher Regierungsarbeit das Wort sprechen soll. Ganz gewiss nicht.) Der asoziale verstandene, tendenziell absolut gesetzte liberale Leitwert der Freiheit vernebelt manch an sich leistungsfähiges Gehirn. Manchmal ist es auch bloss kultureller Habitus, der einer Einsicht im Weg steht. Masken tragen war in vielen Ländern Asiens schon lange vor der Pandemie gang und gäbe. Europäer assozieren sie dagegen gern mit einem Maulkorb.
Dazu kommt natürlich die Besserwessi-Arroganz, ein täglich neu eingepflegtes Bewusstsein, Krone der Schöpfung zu sein, was für Intellektuelle dann sozusagen doppelt gilt.
Gerade auch Theologen sehen sich als Lebens-Kompetente, obwohl doch ihr eigentliche Kompetenz nicht von dieser Welt ist. Vielleicht hat die fortschreitende Säkularisierung auch bei ihnen diesen Unterschied inzwischen eingeebnet, ermöglicht ihnen zu Fürsprechern, Fürsprecherinnen des guten Lebens zu werden, abgegrenzt vom hypermaterialistischen Hedonismus der vom herrschenden Wirtschaftssystem befördert wird. Es klingt edel, kann aber unter den waltenden Umständen deutlich lebensverkürzend sein. Wer sich z. B. in den usa nicht hat impfen lassen, hat laut CDC-Daten eine 29-fache Wahrscheinlichkeit im Spital zu landen - und Andere dorthin zu befördern, muss man anfügen. An der von Knops empfohlenen Diskussionskultur, in der Praxisoft argumentfreien Widerspruch mangelt es in Wirklichkeit nicht. Auch sie selbst geht wohlweislich nicht in medias res.
Ungerührt weiterzutanzen, wenn das Schiff einen Eisberg gerammt hat, ist keine angemessene Reaktion.