Es ist das übliche Elend des bürgerlichen Ökonomen, er sieht die Realität, kann sie aber nicht interpretieren. Die Gründe für - in kapitalistischen Augen - Wachstums- und Produktivitätssteigerungsschwäche sieht er nicht. Er geht davon aus, dass beides in alle Ewigkeit in gewünschter Weise weitergehen sollte. Von durch Systemaporien verursachten kleinen und grossen Zyklen hat er noch nie gehört oder hält sie unbesehen für Mumpitz.
Die bewusst gedrückte Lohnentwicklung ist nicht Ursache, sondern Folge. Folge einer durch Überproduktion verschärften internationalen Konkurrenz, der man durch Einführung eines Niedriglohnsektors - auf den ein ehemaliger SPD-Kanzler noch heute stolz ist - begegnete. Mit grossem Erfolg, wie der Exportboom beweist. Die durch den Zusammenbruch des konkurrierenden Systems stark erleichterte Zähmung der Gewerkschaften, sorgt zudem für 'Lohnzurückhaltung' auch im Normalbereich, nur im Management nicht.
Natürlich ändert das nichts an der Überproduktion, im Gegenteil. Logische Folge, die Kaufkraft ist global ausgeschöpft, viele Unternehmungen flüchten sich in den magischen Finanzsektor, wo dank Fiat-Geld das Manna unerschöpflich zu fliessen scheint.
Prägendes Merkmal des deutschen Arbeitsmarktes sind das für die große Masse der Beschäftigten niedrige Lohn- und Gehaltsniveau sowie der verbreitete technologische Stillstand, der viele Fachkräfte ins Ausland treibt.
Ersteres ist nicht nur prägend für Deutschland, sondern weltweit, letzteres ist Unsinn. Von technologischem Stillstand zu sprechen nur weil es Staaten gibt, in denen sektoriell noch schneller vorgegangen wird, will die Realität verkennen. Auch der Rückgang der jährlichen Produktivitätssteigerung ist global. Das Problem ist auch nicht, dass es zu wenig potentielle Arbeitskräfte gibt, es gibt viel zu viele. Die kapitalistische Wirtschaft ist längst überproduktiv, die Arbeitslosenheere werden immer grösser. Gerade die Atemlosigkeit der Veränderungen führt dazu, dass ein beträchtlicher Teil der Menschen 'falsch' qualifiziert ist. Es fehlen nicht arbeitsfähige Menschen, sondern passende Stellen.
Übrigens:
Durchschnittlich beträgt das Wirtschaftswachstum nur noch etwa 1,2 Prozent pro Jahr.
Wer 1,2 Prozent als kümmerlich empfindet, hat sich noch nie Gedanken über Exponentialität gemacht. Und darüber, dass die Welt endlich ist. Und dass wir ökologisch längst im roten Bereich agieren.