Nach meiner Beobachtung hat die Corona-Krise einen länger anhaltenden Trend der De-Industrialisierung Deutschlands aktualisiert. Während in Deutschland Industrie-Arbeitsplätze abgebaut werden, entstehen im Rahmen der Kapazitätsbereinigung speziell in den ost-mitteleuropäischen Billiglohn-Ländern neue Arbeitsplätze.
MAN z. B. baut in Deutschland 3500 Arbeitsplätze ab, erweitert sein Werk bei Krakau aber um 1500 Beschäftigte, Lohnangebot: 5000 PLN = ca. 1085 Euro brutto. Betriebserweiterungen allein in Polen meldeten in den letzten Monaten auch Bosch, die aktuell dort bereits 8 Fabriken mit 7700 Beschäftigten betreiben, Beiersdorf und Wilk Elektronik. Volkswagen hat erst 2018 ein völlig neue Transporter-Werk bei Posen eröffnet. Daimler 2019 ein Dieselmotorenwerk in Niederschlesien, usw. usw. .
Die Länder Ost-Mitteleuropas sind inzwischen die EU-Länder mit der niedrigsten Arbeitslosenquote. Die Arbeitsmarktsituation - längere Zeit ein Engpass für das Outsourcing westlicher Unternehmen - hat sich durch den Zustrom von ukrainischen Arbeitskräften inzwischen entspannt (und schon kennen wir das spezifische deutsche Interesse an der Ukraine).
Neben den niedrigen Löhnen spielen für deutschen Unternehmen auch die günstigen Energiepreise und steuerliche Privilegien eine Rolle. Die Fortexistenz der polnischen Sonderwirtschaftszonen (die Wojewodschaft Niederschlesien z. B. ist praktisch komplett eine Sonderwirtschaftszone) wird seltsamerweise auch von den deutschen Gewerkschaften nicht zum Thema gemacht.
Umgekehrt suchen deutsche Unternehmen in Polen Arbeitskräfte für ihre deutschen Niederlassungen. Wie das Portal "praca-w-Niemczech" (Arbeit in Deutschland) ausweist, geht es dabei aber vor allem um Anlerntätigkeiten in den Bereichen Logistik, Bauwirtschaft/Handwerk, Pflege, Gastgewerbe, Landwirtschaft. Auch für die Industrie werden selten Facharbeiter, sondern zumeist nur Industriehelfer gesucht.