Was man von diesem Artikel lernen kann ist, wie das Einfordern von Bekenntnis in demokratischen Verhältnissen funktioniert. In Griechenland war das scheinbar umstritten, weshalb die Frage zumindest im ersten Teil des Artikels in den Mittelpunkt rückt. Höflichkeitsgesten, stehende Ovationen oder nicht, verlassen des Parlaments oder Nichterscheinen (aus formalen oder politischen Gründen) sind die Gesten, mit denen Bekenntnis eingefordert, abgeliefert und protokolliert wird. Gründe werden dabei nur noch für das Abliefern oder ausbleiben der Bekenntnisgesten angegeben. Es kommt also kein Wort der Erklärung dieses Krieges in diesem ganzen Zirkus vor, sondern es wird um die Kundgabe des Willens gebeten, Gründe egal. Urdemokratisch also - am Ende zählt der Wille und nicht das, was ihn begründet.
Genauso Selenskyj:
Selenskyj zog Parallelen zum Widerstand der 300 Kämpfer des Spartanerkönigs Leonidas gegen die Perser. Er übernahm die Parole der griechischen Revolutionäre von 1821, "Freiheit oder Tod".
Die Griechen sollen also zum Russenmeucheln beitragen, weil Leonidas bei den Thermopylen einer persischen Übermacht getrotzt hat, oder weil griechische Revolutionäre mit "Freiheit oder Tod" in den Kampf gezogen sind (man fragt sich, was diejenigen, für die das Ergebnis "Tod" war danach von der "Freiheit" hatten)!? Selenskyj (wie auch jeder andere politische Verantwortungsträger, der Motivationsreden in Sachen Krieg zum Besten gibt) spricht da ganz offensichtlich nicht die Vernunft von irgendwem an, sondern will Nationalgefühl instrumentalisieren. Man soll sich seinen Haufen Ukrainer wie Leonidas bei seinem Rückzugsgefecht gegen Xerxes vorstellen. Dabei liegt er nichteinmal weit neben der Sache, für die seine Ukraine vorgesehen ist: Bis auf das Rückzugsgefecht stimmt die Rolle von Selenskyj's Ukrainern nämlich mit der der Spartaner überein. Sie opfern sich für die NATO, um den Russen hohe Verluste beizubringen. Ein "Rückzugsgefecht" ist das höchstens im taktischen Sinn, strategisch verteidigt sich die NATO in Richtung Osten, also nach vorn.
Was liefert Selenskyj den Parlamenten, vor denen er seine Reden hält? Antwort: Eine Gelegenheit sich überwältigt vom Leid in der Ukraine zu zeigen und Bekenntnis abzuliefern und das der eigenen Bevölkerung vorzuführen. Und die Bevölkerung soll dann wegen der 300 Spartaner, der griechischen Nationalbewegung, des Leides in der Ukraine oder weswegen auch immer, auf jeden Fall jenseits von jeder vernünftigen, erklärenden Auseinandersetzung mit dem Krieg mit ihrer Regierung Schulterschluss üben. Wahrscheinlich tut sie es wegen ihres Vertrauens in die Politik, das aber gerade in Kriegszeiten völlig unbegründet ist. Es wird ein Klima nationaler, empörter (und damit ignoranter) Kriegsbegeisterung erzeugt, bei dem es lediglich um das Bekenntnis, den Willen zum Krieg, nicht aber um Erklärungen geht. Deshalb gehen die Leichen hierzulande auch ziemlich einseitig durch die Medien. Ist dieses Klima einmal erzeugt reicht es selbst die richtige Überwältigung gegenüber Abweichlern zu zeigen und auf deren Abweichung als UNERTRÄGLICH zu verweisen. Wer dieses Bekenntnis nicht liefert und an seiner Kritik festhält wird moralisch und bisweilen, wenn er die falschen Symbole und Gesten an den Tag legt auch rechtlich fertiggemacht. Traurig ist, dass auch die Kritiker mit Bekenntnissen etwas anfangen können und auf die blaugelbe Welle mit Georgsband und "Z" antworten, statt diese Bekenntnishuberei zu kritisieren und sich für die Reflexion über den Krieg einzusetzen. Verteidigt wird im Krieg der Staat oder die Staatsraison, nicht aber die Menschen. Denen bleibt nur in ihm zu sterben oder ihn mit Glück zu überleben und hinterher neu anzufangen (also das bisherige Leben als zerstört bilanzieren zu müssen).
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (08.04.2022 12:11).