Der Nationalstaat ist eine der unheilvollsten Erfindungen der Neuzeit. Zumal er eine Fiktion ist, da es praktisch keinen gibt: in kaum einem Staat der Welt lebt nur ein Volk ohne Minderheiten und Einwanderern anderer Ethnien und Kulturen.
Zwar gehört zu einem Staat ein "Staatsvolk", aber das ist ein juristischer, kein politischer oder gar ethnisch-kultureller Begriff. Das Staatsvolk sind einfach alle (dauerhaften) Bewohner des Staates, die sich seiner Rechtsordnung unterwerfen, von ihm geschützt und vertreten werden, für die er quasi "zuständig" ist.
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Kollektive Rechte dienen in aller Regel der Unterwerfung von Menschen, nicht ihrer Befreiung. Sie sind einer der großen Irrtümer des 20. Jahrhunderts.
Um die These in aller Konsequenz zu formulieren: Es gibt kein Recht der Armenier, unter Armeniern zu leben. Es gibt aber ein Recht für armenische Bürger ihres Gemeinwesens, Gleiche unter Gleichen zu sein, nicht benachteiligt zu werden, ja auch ihre eigene Sprache und Kultur zu pflegen. Das sind Bürgerrechte, Rechte der Einzelnen gegen jede Vormacht.
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(Ralph Dahrendorf: Nur Menschen haben Rechte https://www.zeit.de/1989/18/nur-menschen-haben-rechte/komplettansicht)