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Avatar von Axel Farr
  • Axel Farr

mehr als 1000 Beiträge seit 06.05.2002

Wie Russland die Ukraine aus Kurs vertrieben hat

Der Artikel erzählt nicht alle Aspekte dieses Kriegsschauplatzes.

Was mir fehlt:

1. Russland hatte damit begonnen, durch den Angriff von Belgorod her auf den Oblast Charkiw wieder eine Front im Norden zu eröffnen.
2. Dass die Ukraine dann mit einem Angriff über dieselbe Grenze reagieren könnten, war eigentlich nur logisch. Der ukrainische Angriff war anfangs weitaus effektiver als der russische, auch weil Russland es ursprünglich vermeiden wollte, kampferfahrene Truppen einzusetzen.
3. Die waren dann doch ab etwa September 2024 nötig geworden, um ein weiteres Vordringen der Ukrainer zu verhindern. Was genau das an der Front im Süden bewirkte, bleibt im Dunkeln, es gibt aber ernstzunehmende Vermutungen, dass die Ukraine damit vorhatte, einen Angriff der Russen an der Front im Süden zu verhindern - was damit gelang.
4. Fast ein halbes Jahr hat sich Russland erfolglos mit relativ hohen Verlusten bemüht, die Ukrainer wieder aus Kursk zu vertreiben, die Front blieb relativ stabil. Zu diesem Zeitpunkt standen dort wohl 30.000 russische Soldaten etwa 10.000 Ukrainern gegenüber, wobei die Gesamtzahl der eingesetzten ukrainischen Truppen wohl bis nahe 20.000 kam (um Truppen im rückwärtigen Raum zur Sicherung & Rotation zur Verfügung zu haben).
5. richtig ins Rollen kam die russische Gegenoffensive erst zum Jahreswechsel, auch als dann neben einer größeren Anzahl an russischen Soldaten Soldaten aus Nordkorea eingesetzt wurden. Russland hatte die Anzahl seiner Truppen wohl in etwa nochmal verdoppelt, Meldungen und Analysen sprachen von 50.000 - 70.000 Mann.
6. Den Ausschlag gab zuletzt eine Zangenoperation die von zwei Flanken auf einen Punkt ca. 10km innerhalb der Ukraine zielte. Diese Operation brachte russische Truppen nahe genug an die Verbindungsstraße von Sumy nach Sudscha, über die die Ukrainer den gesamten Nachschub abwickelten. Wie im Artikel berichtet, konnten sie damit den Nachschub faktisch unterbrechen. Versuche der Ukrainer diese Bedrohung zu neutralisieren schlugen fehl, so dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis die Ukraine sich aus Kursk zurückziehen musste.
Dass dabei russische Truppen durch die Gas-Pipeline krochen war nur ein Aspekt, die das ganze noch beschleunigten - ausschlaggebend war das wohl nicht dafür, dass das Kursker Abenteuer aufgegeben wurde. Die russischen Truppen verwendeten übrigens auch Kennzeichnungen ukrainischer Kräfte, um so besser aus dem Hinterhalt agieren zu können. Wer so agiert, verliert den Schutz der Genfer Konvention und kann als Saboteur hingerichtet werden.

Das Gebiet als Faustpfand zu halten war vermutlich nur ein Aspekt, den die Ukraine bewogen hat, dort zu agieren. Wichtiger dürfte das Binden feindlicher Kräfte gewesen sein und vor allem die psychologische Wirkung: Das erste Mal seit dem 2. Weltkrieg hatten monatelang fremde Streitkräfte ein Stück Russlands besetzt gehalten, und Russland hat weder instantan eine A-Bombe auf Kiew geworfen noch war Russland ein halbes Jahr lang in der Lage, die Kräfte aus dem Land zu werfen.

Auch wenn jetzt ein Waffenstillstand vor der Tür stehen sollte: Russland wird nicht einsehen, dass es irgendwelches Land an die Ukraine abgeben sollte. Umgekehrt wird die Ukraine nicht auf die russische Forderung eingehen, die vier Oblaste die Russland annektiert hat komplett zu räumen. Daher sehe ich auch nicht, dass der Krieg kurzfristig zu einem Ende kommen wird.

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