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  • Nützy

mehr als 1000 Beiträge seit 11.06.2010

Gegendarstellung: Weniger Kollektivismus wagen?

In dem Artikel wird die die Behauptung aufgestellt "Auslöser für die Rentendiskussion" sei "ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vom 4. Mai". Dem ist selbstredend nicht so. Vielmehr lässt sich die Rentendiskussion bis in die 1980er Jahre zurückverfolgen, weil absehbare Finanzierungsprobleme einer umlagebasierten Rente nach dem Pillenknick für solche Leute wie Demographen, Versicherungsmathematiker oder Statistiker absehbar waren. Übrigens auch für ganz normale Menschen.
In dem Artikel heißt es: "Ein Großteil unserer Altersrenten wird über die gesetzliche Rentenversicherung abgewickelt."
Diese Aussage ist durch das Wörtchen "unserer" vage und daher uneindeutig.
In dem Artikel heißt es weiterhin, dass "wir (..) das Rentenproblem auch ganz anders lösen (können)", wobei ich auch hier wiederum frage: Wer zum *** ist denn dieses Wir?

Im ersten Lösungsvorschlag schlägt uns der Autor praktisch vor, durch höhere Steuern die Rentenkassen zu finanzieren. Dies ist nicht neu. Es geschieht bereits. Ein großer Teil des Bundeshaushalts fließt direkt in die Rentenkassen und dennoch bleibt das System akut in Schieflage.
Zudem widersprich die Darstellung des Autors tendenziell sich selbst: Wenn doch angeblich die Konsumenten für die "leistungslosen Einkommen" der bösen Reichen bezahlen, wie soll dann eine höhere Besteuerung helfen?
Müsste man nicht denknotwendig annehmen, dass die Einnahmen dieser bösen Reichen ebenfalls wegfallen, sobald es weniger Konsumenten als Rentner gibt? Oder will uns der Autor ein finanzielles Perpetuum Mobile verkaufen, indem die Rentner zusammen mit den wenigen Arbeitenden über ihren Konsum die Rentenkassen finanzieren?

Im zweiten Lösungsvorschlag des Artikels versteift sich der Autor auf die Behauptung:
"Da kommerzielle Werbung zu Gewinnerzielungszwecken die Konsumenten weder informiert noch sonst irgendeinen Nutzen stiftet, im Gegenteil lediglich alle beworbenen Produkte nur unnötig verteuert, gibt es volkswirtschaftlich gesehen keinen Grund für unsere so immens hohen Werbeausgaben."
Diese Behauptung ist ebenfalls falsch. Solche Magazine wie Heise, aber auch andere "kostenlose" Webseiten und Foren finanzieren sich durch Werbung. Würde man der Werbewirtschaft schaden, würde man diesen Webseiten ebenfalls den Hahn abdrehen. Fast alle Medien sind auf die Finanzierung durch Werbung angewiesen, selbst unser ach-so-unabhängige Öffentlich-Rechtliche-Rundfunk.
An der selben Stelle wird nahegelegt, dass die "simple Steuermaßnahme" "Einnahmen von anfangs vielleicht 15 Milliarden Euro pro Jahr einbringen". Eigentlich dürfe den mitdenkenden Leser hier schon klar sein, dass es sich um eine Milchmädchenrechnung handelt. Aus pädagogischen Gründen lege ich es dennoch mal dar: Erstens gibt es keine simplen Steuermaßnahmen, selbst diese Änderung dürfte eine ungeheure Bürokratie nach sich ziehen. Zweitens darf angenommen werden, dass die Werbewirtschaft unter dieser Voraussetzung einfach weniger Geld zugeschoben bekommt. Die Unternehmen werden sich in dem Fall einfach andere Strategien überlegen. Die Werbewirtschaft leidet ohnehin schon unter starken Problemen.
Dem Autor ist das sogar selbst bewusst, wenn er schreibt:
"Zum einen eine Unterstützung der Rentenkassen, zum anderen würde dies mittelfristig zu einer Reduzierung der unsinnig hohen Werbeausgaben führen und dadurch die Marktwirtschaft und das Funktionieren der Märkte stärken, weil weniger Konsumenten-Irreführung und Ressourcen-Fehllenkung stattfände."
Mittelfristig hebt sich der Effekt also selbst auf.

Zu Lösungsvorschlag Nummer 3 ist zu sagen, dass es natürlich grundsätzlich und immer toll ist, wenn der Staat mir vorschreibt, was ich zu konsumieren habe.
Dennoch wird auch das das leidige Rentenproblem nicht lösen, denn, siehe oben, das wäre ein finanzielles Perpetuum Mobile.

Der letzte Lösungsvorschlag wird von mir in Gänze zitiert, weil er so schön ist:
"Dadurch würde die Haltbarkeit vieler langlebiger Konsumgüter steigen, wir würden bessere und günstigere Produkte bekommen und könnten unsere Erwerbsarbeitszeit reduzieren – und das alles ohne jeglichen Verlust an Lebensstandard. Dadurch könnten wir Arbeitszeit freisetzen und hätten unter anderem mehr Personal für Alters-, Senioren- und Pflegeheime."
Abgesehen davon, dass Deutschland in diesem Szenario in der internationalen Konkurrenz vom Tisch wäre... aber darauf legen wir ja ohnehin keinen Wert mehr...
Ich stelle mir grade vor, wie schön es für die alten Menschen sein wird, wenn der Harry von Fabrikband A sich jetzt mal richtig "professionell" um sie kümmert. Ordentlich Zupacken bei Fließbandarbeit ist er ja schon gewohnt...
Abgesehen davon würde der Verlust an Einkommen, der denknotwendig durch die Reduzierung von Produktivarbeit eintreten würde, das Finanzierungsproblem verschärfen. Selbst wenn ein Zivildienst für Alle verfassungsrechtlich möglich wäre.

Der Beitrag darf jetzt rot gefärbt werde. Das entlastet von der kognitiven Dissonanz und die muss schrecklich sein.

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