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355 Beiträge seit 17.07.2001

Bauern vs. Adlige

Angstroem schrieb am 18. Juni 2007 14:40

> Andreas Bohland schrieb am 18. Juni 2007 11:35

> > Die früh- und hochmittelalterliche Lehenswirtschaft funktionierte
> > deshalb so gut, weil sowohl Bauern wie Adlige wussten, wie heftig sie
> > voneinander abhingen.

Ich weiß natürlich, dass  ein Spielfilm keine historische Quelle ist,
aber die Zustände wie sie Kurosawa in "Die sieben Samurai" schildert,
halte ich für realistisch

> Oh, welche denn? Der Bauer konnte sehr wohl ohne den Adel leben. Den
> Schutz irgendeiner Schutzstaffel unter adliger Leitung brauchte er
> nicht -- gegen marodierende Banden half die nämlich nichts bzw. es
> war im Zweifelsfall sinnvoller, sich mit anderen Bauern zusammenzutun
> und sich selbst zu helfen.

Ich bitte dich, "sich mit anderen Bauern zusammentun und sich selbst
zu helfen", finde ich schon ein bischen durch die rosarote Brille
gesehen. Wie hätten die Bauern sich denn wehren können, mit
geradegeschmiedeten Sensen, Dreschflegeln und Mistgabeln. Gegen
ausgebildete Soldaten. Ich finde, du idealisiertst.


> Der Bauer brauchte auch nicht die Stadt, zumindest nicht, um zu
> existieren -- wohl aber, um seinen Reichtum zu steigern. Und damit
> kommen wir zum Kern des ganzen Gefüges: Es geht einzig und alleim um
> die Mehrung des Besitzes.

> Der Adel brauchte Geld. Zum Leben und zum Unterhalt des Lebensstils.
> Je mehr, desto besser.

> Der Bauer brauchte ebenfalls Geld -- um den Lebensunterhalt
> aufzubessern bzw. als universelles Tauschmittel gegen andere
> Bedarfsgüter, die er sich dann nicht mehr selbst erstellen wollte
> bzw. Arbeiten, die er neben dem reinen Agrarbetrieb nicht durchführen
> konnte/wollte (-> Schmiede- und Zimmermannsarbeiten).

Wenn ein Bauer die notwendigen Arbeiten nicht selber ausführen
konnte, wo sollte er dann die Zeit hernehmen für Waffenübungen? Dazu
waren Waffen in jener  Zeit etwa in der Preisklasse angesiedelt wie
heute Sportwägen.


> Sprich: Der Bauer war grundsätzlich selbst in der Lage, sich
> durchzubringen, da er echter Wertschöpfer (Arbeit -> Produkt) war.
> Der Adlige hingegen war bestenfalls Dienstleister und somit ein
> effektives Faß ohne Boden.

Ein Arzt ist auch nur Dienstleister und ein Fass ohne Boden.
Eigentlich wollte ich auch mehr auf die Verantwortung des Adels
(geboren aus der sichtbaren Abhängigkeit vom Bauer) hinaus. Nicht
wenige Völker der Menschheitsgeschichte forcierten diese
Verantwortung mit u.a. rituellem Königsmord. Es gibt keine
geschichtliche Gesellschaft ohne Herrscher und Beherrschte, bei
Herdentieren - die wir Menschen auch sind - nichts ungewöhnliches.
Alphatiere, die der Herde schaden sind für die Herde nicht tragbar.
Das ist in unserer Biologie schon so angelegt. Deshalb ändern sich ja
auch Wirtschafts- und Herrschaftsformen. Meistens gleichzeitig.


> Und genau das haben wir ja heute auch -- zu wenig Wertschöpfung, zu
> viel Dienstleistung. Forciert durch unsere "Eliten".

> > Das beste, was sich heutzutage tun lässt, ist den Blick nach vorne zu
> > richten, das Fliegengesumm unserer hysterischen Eliten zu ignorieren,
> > und stattdessen dafür zu sorgen, dass das Leben auch ohne 'Elite'
> > seinen angemessenen Gang geht.

> Richtig. Das Problem ist aber -- wie damals --, daß die "Eliten" es
> dem Wertschöpfer zunächst mal so unangenehm wie möglich machen
> können, was sich bisweilen in blutigsten Kämpfen niedergeschlagen
> hat.

Wenn es anders nicht geht, wird es so gehen. Aber da helfen weder
Kameraüberwachung, noch ein zentrales Fingerabdruckregister.
Bedauerlich ist das allemal.


> Aber offenbar funktioniert der Mensch als Ganzes nicht anders...
> Statt daß man Schmarotzer rechtzeitig tilgt, füttert man sie, redet
> sich ein, daß sie sinnvoll sind, gebraucht werden und verleiht ihnen
> immer mehr Macht, bis sie sich verselbständigen und es schließlich
> eines heftigsten Korrektivs bedarf.

Der menschliche Verstand wird imho maßlos überschätzt. Der liefert
primär die Bedeutungssoße, die Entscheidungen tragbar macht, die
längst in anderen Teilen unseres Fühlens und Denkens entschieden
wurden.

Niemand kann eine abgehalfterte Elite davon abhalten, sehenden Auges
ins offene Messer zu rennen, aber man kann versuchen, dass sie nicht
allzuviele mit ins Verderben reißen.

Traurig, aber real
AndreasB

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