Viele gute und auch richtige Fragen und Feststellungen. Allerdings habe ich meine Bauchschmerzen, wenn argumentiert wird, für Volksentscheide brauche man "ein reifes, zurückhaltendes Bürgertum" und zwar aus folgenden Gründen:
1. ich kann derzeit keinen Konsens ausmachen, wie denn "Bürgertum" inhaltlich 2020 definiert werden soll und habe meine Zweifel, dass der Begriff Bürgertum des 19./ 20.Jh. heute noch eine Berechtigung hat;
2. "Reif" und "Zurückhaltend" würde ich als "informiert" und "diskussionsfähig" verstehen und dann auch unterschreiben, allerdings setzt "Informiertheit" voraus, dass der Gegenüber (hier die politisch Verantwortlichen) auch tatsächlich umfassend informieren. Bürgerräte könnten hier durch "nerviges" Fragen Informationen für alle gewinnen.
Die Bedenken, dass Populisten (und diese gibt es in jeglicher politischer Couleur) das Instrument missbrauchen könnten, sehe ich aufgrund der Konstruktion "Teilnehmer repräsentativ und Zufallstichprobe" eher weniger, da es dann interessierten Kreisen gelingen müsste, die Zusammensetzung gezielt zu beeinflussen. Ferner unterliegen ja die erarbeiteten Vorschläge auch einer weiterführenden Diskussion in der Politik und auch einer rechtlichen Prüfung (ja, ich weiß, die wenigsten Juristen haben das Wörterbuch Jura/Deutsch - Deutsch/Jura, aber es gibt sie tatsächlich auch im wirklichen Leben). Ein Problem gibt es allerdings aus meiner Sicht, nämlich, dass ich für bestimmte Fragestellungen Fachleute brauche; da habe ich im Artikel keinen Hinweis gefunden, wie diese Expertise in die Bürgerräte transportiert und gewinnbringend eingebracht werden kann (die Frage, wer denn solche Experten benennt und mit den Bürgerräten zusammenbringt, ist elementar, da es für jede Frage Meinung und Gegenmeinung gibt, wie die öffentlichen Expertenanhörungen im Bundestag hinlänglich beweisen).
Mir gefällt Ihr Kommentar sehr gut.