Bereits beim Lesen der Überschrift wurde mir schlagartig bewußt, wohin die Reise dieses Artikels gehen wird: In Richtung vorurteilsbelasteter Wortwahl, unsauberer, weil schwammiger Begriffe und mit den allzeit wohlfeilen Mitteln des Framings und der Verklammerung.
Mit Framing, der Einbettung eines Themas in einen subjektiven Bedeutungsrahmen, bezeichnet man verbale Äußerungen, die einem vorgegebenen Rahmen folgen, so daß vom Rahmen abweichende, außerhalb des Rahmens liegende Darstellungen erst gar nicht gedacht werden bzw. kaum gedacht werden können. Dazu werden häufig verzerrende Definitionen verwendet, wie z.B. der Demokratiebegriff, über den wir alle in der Schule gelernt haben, daß er mit Volksherrschaft gleichzusetzen sei. Leser und Zuhörer werden mittels Framing innerhalb eines bestimmten Deutungsrahmens gehalten, dessen Legitimation oder auch Wahrheitsanspruch in der Regel nicht angezweifelt werden darf; man kommt meist erst gar nicht auf den Gedanken, diesen Rahmen anzuzweifeln, weil man ihn gewöhnlich nicht einmal bemerkt.
Als Verklammerung bezeichnet man eine Manipulationstechnik, mit der man bestimmte unliebsame oder unerwünschte Begriffe zusammen mit Denunziations- und Diffamierungsbegriffen in einen Topf wirft oder in einer negativ konnotierte Kategorie verortet. Rainer Mausfeld nennt in seinem Buch Warum schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören Beispiele wie »Querfront«, »Verschwörungstheorie«, »Antiamerikanismus« und »Populismus«; ich zähle dazu auch die altbekannte Faschismuskeule und den häufig vorgeworfenen Antisemitismus. Mausfeld:
Diese Begriffe haben eine perfıde Logik: Sie beruhen auf einer bestimmten Form einer gedanklichen Verklammerung unterschiedlicher Themenbereiche, durch die suggeriert wird, zwei gänzlich unabhängige Themenbereiche seien gleichsam ihrem Wesen nach miteinander verwoben. Auf diese Weise sollen speziell Themen, deren öffentliche Diskussion die Machteliten und die sie stützenden Elitengruppen als unerwünscht und abträglich für ihren Status ansehen, dadurch in Diskredit gebracht werden, dass sie mit Themen verklammert werden, die geächtet sind oder als anrührig gelten – wie etwa rechtsextreme oder rassistische Auffassungen. Durch eine solche Verklammerung können sich die Macht- und Funktionseliten vor Kritik immunisieren, indem sie bestimmte Themenbereiche aus dem öffentlichen Diskussionsraum verbannen. (S. 74)
Völlig unkritisch erscheint mir dann auch gleich der Subtitel: »Ein US-Politikwissenschaftler prophezeit den Untergang der liberalen Demokratie. Rechte Populisten könnten die "strukturelle Schwäche" der Demokratie ausbeuten«
Von welcher Schwäche und – noch wichtiger – von welcher Demokratie der Professor da spricht, verrät er erstmal nicht. Wo haben wir denn demokratische Verhältnisse? Beuten denn die etablierten Parteien nicht auch die »demokratischen« Strukturen aus? Und was versteht er überhaupt unter dem Begriff »Populisten«?
Wie ich in anderen Beiträgen bereits unterstrichen habe, kann, nein muß man bei derart nebelhaften Formulierungen davon ausgehen, daß damit mehr verborgen als offenbart werden soll. So wird zum Beispiel mit dem oben zitierten Satz von der strukturellen Schwäche der Demokratie, die von rechten Popoulisten ausgebeutet werden könnte, impliziert, daß die etablierten Parteien – ich nenne sie gerne das Parteienkartell, weil es letztlich egal ist, welche dieser Parteien man wählt: die Politik ist und bleibt stets dieselbe – keine »strukturellen Schwächen« der Pseudo-Demokratie ausnutzen. Denn genau das tut das Parteienkartell ständig: Es regiert zum eigenen Nutzen gegen die Interessen der Bevölkerungsmehrheit. Die große Wählermehrheit will keine Auslandseinsätze der Bundeswehr, wollte auch den Jugoslawienkrieg nicht, die Mehrheit will keine Millionen Asylanten, keine Steuergeschenke und Steuerschlupflöcher für Reiche und Konzerne, kein TTIP, keine Privatisierung staatlicher Institutionen und auch keinen weiteren Sozialabbau, keine Vorratsdatenspeicherung und so weiter.
Aus Sicht der Machteliten unerwünschte Wirklichkeitsauffassungen werden sozusagen zu gedanklichen Sperrgebieten (Mausfeld) erklärt, indem man damit verbundene Begriffe wie auch ganze Ideengebäude mittels Verklammerung quasi unaussprechlich und undenkbar macht. Wer es dann wagt, diese von den Machteliten geächteten Begriffe und Vorstellungen dennoch öffentlich zu äußern, muß damit rechnen, von allen Seiten verbal und nicht selten auch sozial und materiell niedergemacht zu werden.
Mit diesen Techniken arbeiten jedoch nicht nur die sogenannten Macht- und Funktionseliten, sondern auch angeblich Linke, die sich ihrer Abhängigkeit vom Status Quo voll bewußt sind; sie wollen ihren damit verbundenen Wohlstand und die entsprechende Einflußsphäre nicht riskieren und arbeiten daher nicht wirklich linksorientiert, sondern in der Tat konservativ, sind also in Wirklichkeit Rechte, die nur vorgeben, links zu sein. Mausfeld bezeichnet diese Leute als »intellektuelle und journalistische Wasserträger der Mächtigen« und ergänzt, daß es sich hier um eine »Sprache des Opportunismus« handelt, »mit der man bekundet, dass man um
die Gunst der Mächtigen buhlt und gerne bereit ist, sich in den Dienst
der jeweils herrschenden Ideologie zu stellen«. (S. 75) Letztendlich wird mit diesen Manipulationstechniken verhindert, daß eine fundamentale Kritik an den herrschenden Verhältnissen und vor allem an den Macht- und Funktionseliten in die Öffentlichkeit getragen wird.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (14.09.2019 02:02).