Ob die Leute zu blöd für Demokratie sind? Wer soll diese Frage beantworten können, da es noch nie ausprobiert wurde. Ich meine wirkliche Demokratie, bei der die Menschen ihre Geschicke möglichst selber bestimmen. Es gab und gibt demokratische Ansätze und gewiss muss man fairerweise Abstufungen vornehmen, die demokratischen Mogelpackungen sind nicht alle leer, in der Schweiz sind zumindest direktdemokratische Ansätze vorhanden. Aber echte Demokratie muss im Alltag beginnen, also dort, wo sie heute völlig aufhört: Am Arbeitsplatz, in den Konzernen, Banken, Medien, Bildungseinrichtungen, Ämtern, Kirchen, Kasernen und vor allem in den Parteien. Und auch in den Familien. Und ich weiß, dass dies alles sehr schwierig ist, alleine die Fälle zu erkennen, bei denen Mehrheitsentscheidungen nicht angebracht sind, weil sie die Freiheit der Einzelnen betreffen, oder es um Minderheitenschutz geht oder einfach nur Rücksichtsnahme angesagt sein muss.
Wer Mehrheitsentscheidungen missbraucht, der kann auch Demokratie zur Diktatur machen. Auch die beste Demokratie ist kein Evangelium, sie kann immer nur ein Hilfswerkzeug sein das Zusammenleben erträglich und vergleichsweise vernünftig zu gestalten. Es wird immer schwer sein Lobbyisten und Demagogen in Schach zu halten, die wortreich und geschult für ihre Sache werben und gerne an die niedrigsten Instinkte appellieren.
Voraussetzung für vernünftige Mehrheitsentscheidungen ist immer grundlegende Sachkenntnis. Ich denke hier gerne an die alte TV-Reihe "Pro & Kontra", bei der erst sachlich informiert und dann abgestimmt wurde. Ich erinnere mich nur an vernünftige Ergebnisse.
Ein Freund berichtete mir unlängst, wie er mit seinem Team es schaffte sozial abgestürzte Menschen in einem großstädtischen "Glasscherbenviertel", denen alles und jeder am A... vorbeiging durch Mitbestimmung und Einbindung in die Abläufe in die Gemeinschaft zurückzubringen, die vorher durch die Ohnmacht um sie herum gleichsam verschüttet waren. Und das ist doch das Problem heute, dass Gleichgültigkeit durch die allgegenwärtige Bevormundung in allen Lebensbereichen geradezu gezüchtet wird, offenbar gezielt von denen, die Indolenz für ihre Geschäfte brauchen.
Dennoch: Demokratie kann immer nur ein Hilfsinstrument sein und für manches ist sie völlig unbrauchbar. Ein lustiges Beispiel aus den Anfängen meiner pädagogischen Praxis: Ich wurde gedrängt bei einem Fußballspiel Schiedsrichter zu sein. Bei einem Foul war ich mir in der Beurteilung nicht sicher und so versammelte ich die Mannschaften zum Sitzkreis, um die Meinungen und Beurteilungen einzuholen... Man bat mich danach nie mehr Schiedsrichter zu sein.