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  • Selenokhod

mehr als 1000 Beiträge seit 11.10.2015

Die Bezeichnung "Reaktionär" ist aus CSU-Perspektive eine Auszeichnung

Die CSU ist eine reaktionäre Partei? Wirklich Hr. Koschnick? Sind Sie sicher? Gingen wir nicht alle davon aus, dass die CSU in Bayern eher so einen konservativ angestrichenen, grün-liberalen Kurs fährt? Quasi eine Neuausgabe der ÖDP? Gut, dass sie dann den Leser noch einmal auf die politische Ausrichtung der CSU hinweisen - der ist nämlich von alleine zu "blöd" die CSU einzuordnen. Aber im Ernst: Die CSU wollte per Definition noch nie etwas anderes als reaktionär sein. In den 80er Jahren hatte die Parteitagsslogans wie z. B.: "Freiheit statt Sozialismus". Trotzdem danke für diesen überflüssigen Hinweis auf die politische Ausrichtung der CSU...

Eigentlich hätte man daher nach dem Untertitel schon das lesen einstellen können, aber dann wurde es doch noch interessanter:

Zum Thema Obergrenze: Die CSU fordert eine, allerdings nur für Flüchtlinge (Nazispeach: Asylbewerber) nicht für Zuwanderung per se (Studenten, Arbeitnehmer, ...). Schon beim Familiennachzug wird es irgendwie nebulös. Wenn man weiß, wer hinter der CSU steht und wo deren Geld herkommt (nämlich zu guten Teilen aus der bayerischen Wirtschaft), dann macht auch nichts anderes Sinn.

Strauß hatte schon früh den Slogan ausgegeben: "Es darf keine demokratisch legitimierte Partei rechts der CSU geben!" Diese Aussage hat weniger etwas mit dessen Einsatz für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, als mit dem Anspruch der CSU zu tun, rechts außen gerne mal Stimmen zu fischen. Das klappt aber nur, wenn da niemand sonst fischt. Das die Strategen im Franz-Josef-Strauß Haus nun von der AfD vor sich hergetrieben werden, dürfte daher nicht wirklich überraschen. Zudem haben sicherlich einige Forenten nicht ganz unrecht mit dem Hinweis auf ein "Good Cop, Bad Cop" Geplänkel zwischen CDU und CSU. Dem (typischerweise greisen) Unionswähler muss ein gewisser unionsinterner Dissens vorgemacht werden, um seine eigene Meinung in der Partei wiederzufinden und bei der nächsten Ankreuzrunde nicht kognitiv überfordert zu werden. Wer die Flüchtlingspolitik der Union gut findet unterstützt Merkel und wählt - ja genau, richtig! Dem etwas konservativeren Oberbayern wird dann mit Seehofer auch ein Argument geliefert. Wahlen gewinnt man mit Mehrheiten also muss für jeden etwas dabei sein. Demokratisch wirkt so ein Streit ja auch allemal. Der "Obergrenzen-Blues" ist damit die Fortsetzung einer bereits durch Strauß festgelegten Strategie.

Was die demografische Situation angeht, so gebe ich Hr. Koschnick übrigens voll umfänglich recht. Die Lage ist heute bereits viel dramatischer, als dem Durchschnittsmichel klar ist. Ein Blick in nahezu beliebige Firmen, Behörden oder Organisationen reicht - wenn die Babyboomer in Rente gehen wird es düster im Land. Die Generation "forever young" will sich das aber selber nur ungern eingestehen. Dabei wir auch bewusst gerne nur die Rententhematik in den Vordergrund gestellt und die immensen Herausforderungen für das Gesundheitssystem, Angehörige (Stichwort: Elternunterhalt), den Konsum (Altersarmut wirkt sich indirekt sehr wohl auf die Wirtschaft aus), den Immobilienmarkt und ähnliches unter den Teppich gekehrt.

Macht doch mal folgenden Selbstversuch: Rechnet mal auf die Kollegen am Arbeitsplatz (insbesondere das Management) 10 bis 15 Jahre "drauf" - wie wird es aussehen? Klar, bei einem Berliner Startup ist das nicht sonderlich spannend...anderswo durchaus. Insbesondere in Bereichen, die eine gewisse körperliche Fitness unabdingbar machen (Zusteller, Pflege, Bauindustrie, ...) ist es schon heute in den Ballungsgebieten schwer, ausreichend Personal zu finden. Überdies lassen sich hier sehr viele Tätigkeiten nicht wirtschaftlich automatisieren. An genau diesem Punkt wird es interessant...

Tatsächlich sind wir da bei dem Haupttreiber für die aktuelle "Flüchtlingspolitik". Es gibt nicht "den einen" Treiber für das Chaos des Frühsommers 2015, aber die Bereitschaft und der Druck der deutschen Industrie nach neuen, billigen Arbeitskräften war ein wesentlicher Faktor. Bisher konnte man sich hier auf Osteuropa verlassen, da man dort aber nun eigene Produktionen hochgezogen hat, möchte man nicht die eigenen Facharbeiter aus Polen für den doppelten Stundenlohn in Deutschland arbeiten lassen - Globalisierung live! Deshalb mussten schnell neue Quellen mit Humanressourcen erschlossen werden - es blieben Afrika und der Mittlere Osten. Aus letzterem jüngere Mitglieder der Gesellschaft abzuziehen deckt sich dann wohl auch noch mit einigen geostrategischen Zielen...Bertelsmann und Co. haben das Ding geplant und Mutti hat es eingetütet. Verkauft wurde das Thema dann als moralischer Imperativ und einmalige Ausnahmesituation. Das Thema "Green Card" und Co. aka "qualifizierte Zuwanderung" könnt ihr übrigens völlig vergessen - erstens will die Industrie im Augenblick "physical workforce" und zum anderen ist D. für qualifizierte Zuwanderer weder interessant, noch schauen Staaten in Asien einfach dabei zu, wie ihnen greise, alte Mächte aus dem Oxident die klugen Köpfe abwerben.

Demokratisch "geerdet" war der Spaß natürlich nicht...aber wer stört sich daran schon.

Ein gewisses Maß an Gegrummel und Bürgerbesorgnis zu dem Flüchtlingsquatsch kommt den Eliten ganz entgegen, da es von anderen, echten Problemen ablenkt. Zudem kann man natürlich Aktionismus pflegen - 18 abgeschobene Afghanen - wow! Das erstarkten rechtsextremer Kräfte im Land hat man übrigens vorhergesehen (gehörte ja nicht viel Weitsicht dazu), man war aber überzeugt davon, dieses Problem "medial" in den Griff zu bekommen.

Was man aber gar nicht mag, ist die allgemeine systemkritische Stimmung, die sich von den politischen Rändern in Richtung Mitte breit macht.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (27.02.2017 15:21).

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