Selenokhod schrieb am 27.02.2017 18:55:
Polarisierte Berichterstattung und das Ausklammern jeglicher Kompromissbereitschaft trifft es eher.
Mir fällt dazu spontan "selektive Argumentation" ein. Weitsicht sieht jedenfalls anders aus.
Zu deinen Fragen: Ja, es fällt auf.
Ich habe mir schon Sorgen gemacht, ob ich tatsächlich der Einzige sei... ;-)
Ich bin mir unsicher, ob es wirklich gewollt ist oder ob es sich nicht eher um den Zeitgeist handelt. Berichterstattung will heute in viel größerem Umfang "Meinungen und Positionen" transportieren anstatt neutral das "für und wider" abzuwägen. Man bemüht sich als Autor gar nicht mehr um die notwendige, persönliche Distanz zum Thema.
Das ist gewollt, definitiv. Es ist bekannt, daß es ungeschriebene Gesetze gibt, welche dem Journalisten (oder Beitragsschreiber, je nach dem) einen gewissen Inhalt abverlangen. Das wird oft erreicht durch Andeutungen oder echten Anreizen, der sprichwörtliche Koffer voll Geld oder die Aussicht, den Job weiter behalten zu dürfen. Ob davon dann irgend etwas zutrifft, das steht auf einem anderen Blatt. Viele Menschen neigen aber leider dazu, aus vermeintlichem Selbstschutz sich dem Geforderten zu fügen, auch wenn sie wissen, daß sie sich damit quasi selbst abschaffen. Die Hoffnung, doch noch ein Stück vom Kuchen abzukriegen, um den eigenen Lebensstandard halten zu können, ist dann doch größer. Es gibt aber auch diejenigen, welche im Grunde ausgesorgt haben und sich trotzdem in engstirnigen und widersprüchlichen Aussagen äußern. Von denen kann man dann behaupten, daß sie zur Herrschaftsklasse oder zumindest zu deren Vertretern gehören (da fallen mir spontan Kai Gniffke und Josef Joffe ein).
Amüsant erweise verlange ich dann aber von der Leserschaft die Differenziertheit, zu der ich als Medium selber nicht mehr in der Lage bin...
ja, schon komisch...
Es gab mal die ausformulierte Anforderung an seriösen Journalismus, daß dieser eben unvoreingenommen berichtet und verschiedene Sichtweisen beleuchtet, weil er starken Einfluß auf die Meinung der Leser hat. Das ist aber IMHO schon eine Weile her. Mit der Aufgabe der Seriösität hat der Journalismus, wie er immer häufiger anzutreffen ist, seinen Status Quo verwirkt.