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  • Pnyx (1)

mehr als 1000 Beiträge seit 01.07.2017

Identifikation

Dies ist ein sehr guter, sehr unsympathischer Film, in dem viel (zu viel?) Faszination und (perverse) Erotik erkennbar ist; dessen Regisseur seinen Objekten, ohne es zu wollen (?), vielleicht sogar ohne es zu merken (?), zu viel Liebe und falsche Aufmerksamkeit entgegenbringt.

Am Ende hält "Wintermärchen" sich raus. Dies ist ein glänzend gemachter, aber auch ein kalter Film; eine prekäre Gratwanderung, die in eine unentschiedene und daher auch unpolitische Position mündet. Jan Bonny unternimmt eine Vivisektion des Rechtsextremismus: Wie ein Käfersammler spießt er seine Figuren auf und sieht ihnen beim sinnlosen Krabbeln zu.

Ist das nicht ein wenig widersprüchlich, Herr Suchsland? Was denn nun? "Zu viel Liebe und falsche Aufmerksamkeit" oder "ein Käfersammler" der seine Figuren aufspiesst und ihnen beim Krabbeln zusieht?

Nach den diversen Zitaten überrascht das gezogene Fazit. Ich neige dazu, bis zu einem gewissen Punkt Denise Bücher zu folgen. Das Zitat des Regisseurs -

"Ich glaube, dass in 'Wintermärchen' und in vielen vergleichbaren realen Fällen Narzissmus und Ich-Bezogenheit die zentralen Motive sind: sich selbst Geltung zu verschaffen durch Gewalt, sich sichtbar zu machen..."

- deutet in diese Richtung. Er entpolitisiert das gezeigte Verhalten, äussert keinerlei Sympathie für die Figuren, urteilt moralisch ab.

Pasolini dagegen erzwingt eine Identifikation mit den Opfern, konfrontiert mit Ohnmacht. Das ist der Grund, warum viele Zuschauer die Salo-Vision vorzeitig abbrechen. Das ist in Wirklichkeit "Pasolinis Methode". Dadurch erst macht er das Grauen erfahrbar, nicht durch den scheinbaren Gegensatz zwischen gepflegter grossbürgerlicher Atmosphäre und dem ausgelebten Sadismus der Akteure. Ästhetisierung von Gewalt ist nichts Besonderes. Pasolinis Film ist eine Lektion in schwarzer Aufklärung, weit mehr existenzialistisch als politisch.

Vielleicht ist es ein Stück weit ein Selbstmissverständnis des Regisseurs, oder auch Selbstschutz, dass er dieses Element, das auch bei ihm aufblitzt - nämlich in der beschriebenen, extrem zufälligen Auswahl der Opfer -, übergeht, und in dem Relotius-Medium seinen Film selbst in die Bahnen des akzeptierten moralischen Diskurses lenkt und sich so jeder Unterscheidungsmöglichkeit begibt.

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