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  • Irwisch

mehr als 1000 Beiträge seit 22.03.2005

Re: Schwarze Pädagogik & Johanna Haarer als unser Übel

Dieses Übel ist weitaus älter als die Bücher einer Frau Haarer. Man erfährt dies z.B. durch die Lektüre von "Hört ihr die Kinder weinen" von Lloyd de Mause:

Auf Initiative von Lloyd deMause hat ein Team von zehn Psycho-Historikern untersucht, wie sich die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern in unserer Kultur von der Antike an verändert haben. Haben sich Eltern im wesentlichen immer so verhalten, wie sie es heute tun? Haben sie im Grunde immer auf die gleiche Weise für ihre Kinder gesorgt oder hat sich die Sorge für die Kinder im Laufe der Jahrhunderte völlig verändert? Welche Gefühle haben Eltern ihren Kindern entgegengebracht, was haben sie Ihnen gesagt, welche heimlichen Phantasien haben sie in bezug auf sie gehabt und welche Bedeutung haben diese Phantasien für das Aufwachsen der Kinder in der Vergangenheit gehabt?

Weil die psychische Struktur von Generation zu Generation durch den Engpaß der Kindheit weitergegeben werden muß, sind die Praktiken der Kindererziehung in einer Gesellschaft mehr ein beliebiges kulturelles Merkmal neben anderen. Sie stellen vielmehr die entscheidende Bedingung für die Überlieferung und Entwicklung aller anderen Merkmale der Kultur dar und legen definitive Grenzen für das in den verschiedenen Bereichen der Geschichte Erreichbare fest. Es bedarf spezifischer Kindheitserfahrungen, um spezifische Merkmale einer Kultur aufrehchtzuerhalten; sobald die betreffenden Erfahrungen fehlen, verschwindet auch das entsprechende kulturelle Merkmal.

Die Geschichte der Kindheit ist ein Alptraum, aus dem wir gerade erst erwachen. Je weiter wir in der Geschichte zurückgehen, desto unzureichender wird die Pflege der Kinder, die Fürsorge für sie, und desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß Kinder getötet, ausgesetzt, geschlagen, gequält und sexuell mißbraucht wurden. Wir wollen zusehen, wieviel von dieser Geschichte der Kindheit wir aufgrund der uns verbliebenen Zeugnisse rekonstruieren können. Daß die Historiker die erwähnte Gesetzmäßigkeit nicht schon früher erwähnt haben, liegt daran, daß man lange Zeit geglaubt hat, seriöse Geschichtsschreibung befasse sich mit der Darstellung öffentlicher – und nicht privater – Ereignisse. Die Historiker haben sich so sehr auf den lärmenden Sandkasten der Geschichte mit seinen phantastischen Burgen und großartigen Schlachten konzentriert, daß die meisten gar nicht zur Kenntnis genommen haben, was in den Familien und Häusern rund um diesen Spielplatz vor sich ging. Während die Historiker im allgemeinen die Sandkastenschlachten von gestern untersuchen, um die Gründe für die Schlachten von heute herauszufinden, fragen wir, wie jede Generation von Eltern und Kindern jene Sachverhalte schafft, die später in der Arena des öffentlichen Lebens zur Darstellung gelangen. Auf den ersten Blick scheint das mangelnde Interesse am Leben der Kinder merkwürdig. ...

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