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  • Sayko

683 Beiträge seit 26.10.2014

Schnittstelle Schule

Ich arbeite im Schulkontext und bekomme die Statusgedanken der Schüler bzw. Eltern direkt mit, ja die "DNA" dieser Gedanken, die in Deutschland nicht laut ausgesprochen wird weil es etwas verpönt ist. Aber es ist so: Eltern wollen den erreichten Status (oder "der auch ihnen zuteil wurde") weitergeben.

Der Schulabschluss ist eines der wichtigsten Zugangspapiere und bildet die erste Schwelle im Übergang Schule-Beruf, also der Übergang Schule-Ausbildung (damit ist auch Studium gemeint).

Hier werden teilweise Karrieren entschieden. Die Schule hat auch eine Selektionsfunktion. Der Hauptaspekt, den ich unterstreichen will ist, dass die Spielräume enger geworden sind. Die Eltern haben sich in langjährigen Karrieren gute Stellungen und Positionen in der Arbeitswelt erstritten. Sie verlangen aber oft, dass "mit einem Schlag" das auch das Kind erreicht. Die Unsicherheiten sind größer geworden und es fehlt zb an Vetrauen in die betriebliche Ausbildung. Dem System wird nicht mehr abgekauft, dass wenn man zb eine technische Ausbildung macht, später gute Chancen hat und noch später zb als Techniker oder Meister in der Industrie arbeitet. Ausbildung im Handwerk? Das ist sowieso nur noch für schlechte Schüler (Ironie).

Das Verhalten der Schüler ist heutzutage oft, dass sie solange weitermachen bis sie an die Decke stoßen. Immer weiter Schule, Hauptsache ein höherer Abschluss! Der Hauptschüler will den Realschulabschluss, der Realschüler das (Fach-)Abitur. Der Sog nach oben ist stärker geworden.

Es gibt Eltern, die sagen nach Gespräch mit den Kindern eine gefundene Ausbildung ab.
"Nicht jedes Kind muss Abitur machen, aber meins auf jeden Fall" ist so ein elterlicher Ausspruch, der die Ambivalenz der Situation zeigt.

Wenn ich mich nicht irre, ist 2016/2017 der erste Jahrgang, in dem sich mehr Abiturienten für eine Ausbildung entscheiden, statt für ein Studium. Dies zeigt, dass viele den Sog nach oben auch nachkommen und statt wie damals™ mit einem Sek. 1 Abschluss eine Ausbildung zu machen, es nach dem Abitur machen. "Sicher ist sicher", wenn's nicht klappt gehe ich studieren. Dummerweise meckern mittlerweile auch die Unis. Die Abbruchquoten sind hoch (1/4 bis 1/3).

Das Sitzenbleiben ist eine Handlungsvariable in der Welt im Übergang Schule-Beruf. Sie rückt wie andere Variablen auch in den Fokus. In der Welt enger Räume, höheren Risiken und höherer Dynamik wird auch das Sitzenbleiben nun "ökonomisch" betrachtet. Mein Appell: Schauen was zu dem Schüler passt.

Sitzenbleiben ist ferner meiner Meinung nach nichts anderes als Abbruch oder Wechsel. Das Sitzenbleiben wird so stark fokussiert weil es eine Art Verwaltungsakt der Schule darstellt. Rechtlich betrachtet ist es das auch wenn ich mich nicht irre. Aber wo ist der Unterschied zum Abbruch? Diese Abbrüche gibt es in den weiterführenden Schulen en masse!

Weiträumiger betrachtet sieht das Bild ungefähr so aus. Auf dem Weg von Schule zur Erwerbsarbeit gibt es immer mehr Stationen und immer mehr Abbrüche und Wechsel. Man darf nicht nur die Sek 1 betrachten, sondern die weiterführenden Schulen, also Berufskollegs. Hier gibt es viele "Scheiterer", Schüler die den Realschulabschluss nicht schaffen und dann widerwillig in irgdendeine Ausbildung gehen und im negativen Fall abbrechen. Die Berufskollegs versuchen ihre Klassen voll zu machen, sonst müssen sie Stellen abbauen.

Sitzenbleiben in der Sek 1 ist für mich ein kontrollierter Abbruch. Das für und wider wurde im Artikel besprochen. Ich möchte drauf hinweisen, dass diese Einschnitte überall im Übergang gehäufter vorkommen. Komischerweise deckt sich das mit der Struktur des heutigen Erwerbslebens und unstetigen Biographien. Das Hamsterrad dreht sich.

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