Ansicht umschalten
Avatar von Destao
  • Destao

mehr als 1000 Beiträge seit 07.01.2004

Debattenkultur

Die vollständige Polarisierung in öffentlichen Debatten greift also weiter um sich. Was früher in Form differenzierten Argumentierens als anstrebenswert galt, weil es qua definitionem die Sicht aller Seiten berücksichtigte, wird nunmehr einfach als Relativierung abgetan. Relativierung ist mithin der Kampfbegriff, der gegen differenziertes Argumentieren in Stellung gebracht worden ist.

Diese Anschuldigung des Relativierens zwingt den Diskutanten zu vollständiger Loyalität für eine Sache, der er vielleicht sogar in der Tendenz zugetan ist (wie zum Beispiel Zizek nicht müde war, zu betonen), jedoch nicht ohne bei wichtigen Verfehlungen Abstriche machen zu wollen und dürfen; mithin also Kritik an der eigenen Sache üben zu können.

Das ist die faktische Abschaffung der Meinungsfreiheit. Speziell in Bezug auf die derzeit stattfindenden Kriege erleichtert die infantile Einteilung der Konfliktparteien in 100% Gut und 100% Böse die Entmenschlichung der jeweiligen Gegenseite. Darüber wiederum vollzieht sich die Rechtfertigung für den Entzug der eigenen Empathie bezüglich der nunmehr verhassten Teile der betroffenen Zivilbevölkerung in diesen Konflikten.

Wenn wir etwas aus der Geschichte gelernt haben sollten, dann Kriegsrhetorik als solche zu erkennen und aus unserer öffentlichen Debattenkultur zu verbannen. Das Gegenteil geschieht - die Menschen reden aus Angst, gesellschaftlich zerstört zu werden, wieder zunehmend das daher, was die alles beherrschende Ideologie ihnen über die Medien vorschreibt. Insofern kann man nur sagen:

Hut ab, Herr Zizek für Ihre freie, öffentliche und differenzierte Meinungsäußerung! Und dafür, dass Sie das Risiko eingegangen sind.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten