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  • sansculotte

mehr als 1000 Beiträge seit 16.09.2001

Yep

Der Artikel wirft mE zwei Probleme auf:

1. Die für unsere Kultur typische totale Affirmation eines nicht
unumstrittenen Begriffs formaler Intelligenz. Bezeichnend ist hier
der Satz: " Wäre Lamarr eine andere gewesen, [...] wir hätten
womöglich weder Satellitennavigation, noch Mobiltelefone, drahtloses
Internet und "Smart Bombs"." Abgesehen von der müßigen Spekulation
würde ich "Smart Bombs"/"intelligente" Bomben nicht gerade zu den
großen Errungenschaften der Menschheit zählen. Es gehört zur Tragik
der Lebensgeschichte von Menschen, die mit herausragender
technisch-mathematischer Intelligenz begabt waren, dass sie, waren
sie mit den (militärischen) Folgen ihrer Erfindungen konfrontiert,
mit ebenso herausragender Hilflosigkeit reagiert haben. Sie waren
zwar "klug" genug, solche Instrumente zu ersinnen, aber sie waren
nicht klug genug, die Folgen dieser Entwicklungen abzuschätzen.

2. A propos "Klugheit": rechtfertigt der Verweis auf ihre "Klugheit"
die offensichtlich völlige Blindheit gegenüber dem psychosozialen
Scheitern der Lamarr? Und ist sie dann überhaupt noch zu Recht als
"klug" zu bezeichnen? Was mich besonders abstößt, ist die
Belanglosigkeit, mit der der Nebensatz " [Die Dokumentation] erzählt
auch [...] von dem Sohn, den sie irgendwann einfach weggab[...]"
hingeworfen wird. Und das alles wird dann noch mit dem Verweis auf
den Versuch der Lamarr, "ihre Unabhängigkeit zu bewahren", zu einem
emanzipatorischen Akt stilisiert. Nicht, dass Lamarr ein Vorwurf ins
Grab nachzuwerfen wäre, aber der letztlich gefühlskalte Umgang mit
von ihr abhängigen Menschen und die Unfähigkeit der Biographen, das
in der Erzählung angemessen zu thematisieren, ist symptomatisch für
die Wahrnehmungsstörung unserer Zeit. Da strickt man lieber einen
Mythos aus all dem "Geheimnisvollen" und "Rätselhaften", das bei
ausreichendem Mut, genau hinzusehen, allerdings sehr wohl erklärbar
wäre.
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