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  • sansculotte

mehr als 1000 Beiträge seit 16.09.2001

(bitte unbedingt ausfüllen)

Artur_B schrieb am 16. September 2006 22:19

> die Dame hat auf Seiten der USA das Kommunikationsnetz der U-Boote
> abhörsicher gemacht, als diese von Japan überfallen und von
> Deutschland den Krieg erklärt bekamen. Das hat nichts anderes als Lob
> verdient.

Als Hedwig Kiesler das Frequenzsprungverfahren entwickelte, arbeitete
sie an störungssicheren Torpedos und für Torpedos ist diese Technik
folglich auch patentiert. Mit Torpedos versenkt man Schiffe und
U-Boote und tötet Menschen. Lamarr hat also explizit an einer
Waffengattung gearbeitet und mit Waffen tötet man Menschen. Da ist es
gleich, ob die Waffen "die Guten" unterstützen oder "die Bösen". Das
ist zunächst einmal meine grundsätzliche Haltung.

Was mich irritiert - wir finden ja auch in der Geschichte genug
Beispiele - ist die Obsession, mit der hochbegabte Menschen, von
Archimedes über Leonardo bis
Leo Szilard, Enrico Fermi oder Einstein (der zwar nicht aktiv
teilnahm, aber die Entwicklung forderte, an der Produktion von Waffen
mitwirken, deren Einsatz tausenden Menschen das Leben kosten und zwar
unter der Prämisse, dass der Zweck die Mittel heiligen würde. Diese
Menschen sind genial genug, die Prozesse der Natur bis ins Detail zu
entschlüsseln, sie sind aber nicht hinreichend genial, um den Wert
auch nur eines Menschenlebens zu erfassen. Darin liegt ein mE
folgenschwerer Widerspruch.

> Moment mal, sie hatte Kontakt mit Faschisten, sie hat gemerkt welche
> Sorte
> Mensch das ist und die Flucht ergriffen.

Dass Lamarr vor diesem dubiosen Mandl die Flucht ergriffen hat, ehrt
sie. Andere haben sich allerdings mit dem Typen noch nicht mal
abgegeben, geschweige denn eingelassen.

> Sie war in Amerika an der
> Entwicklung von Mehrfrequenz-Sendern maßgeblich beteiligt und hat
> sich geweigert, in den Filmen das Dummchen zu spielen, das lange Zeit
> die typische Frauenrolle zu sein hatte. Bis in die 60-er Jahre war
> doch die Frau im Film ein mehr oder weniger behindertes Wesen, dem es
> zu helfen galt.

Das war ihre Rationalisierung dafür, dass sie viele Rollen abgelehnt
hat. Ihre Rechtfertigung, ihre Version der Geschichte. Kann man
glauben oder auch nicht.

> Also mindestens dreimal hat die Frau in bewundernswerter Weise
> einfach Mut bewiesen. Nein "Blindheit " und "Scheitern" sind nicht
> die Worte, die Lamarr zutreffend beschreiben.

In bezug auf ihr allerengstes perönliches Umfeld..., aber schon
recht, es geht um eine allgemeinere Tendenz:

> Bist Du da noch auf der Höhe der Zeit ? Welcher Star ist heute denn
> noch rätselhaft und geheimnisvoll ? Da käme doch gleich die
> Narzissmuskeule, die wir diese Woche schon hatten.

> Ich sehe etwas ganz anderes: die Industrie versucht, ihre
> Belegschaften komplett austauschbar zu machen, jeder Beschäftigte
> soll im Fall eines Ausfalls sofort durch einen anderen ersetzbar
> sein. Einer wirklich überhaupt nicht nachvollziehbaren Übereinkunft
> nach ist die Industrie nun Vorbild für alle, denn sowohl Behörden als
> auch alles restliche soll geführt werden "wie ein
> Industrieunternehmen", was angeblich "Effizienz" garantiert, wovon in
> praxi keine Rede sein kann. Mit dieser Tendenz werden wir überall
> rechnen müssen, der globalisierte Kapitalismus wird versuchen, uns
> alle austauschbar zu machen, was um einige Grade fieser ist als der
> Sozialismus, der alle nur gleich machen wolllte, und das auch nur
> angeblich.

> Was Austauschbarkeit für Künstler bedeutet, kann sich jeder wohl
> ausrechnen, trotzdem wird auch diese Dummheit nicht aufzuhalten sein.
> Und die "geheimnisvollen" und "rätselhaften" werden uns dann ganz
> schön fehlen.

Die Kritik an der Mystifizierung von Lamarr hat nicht darauf
abgestellt, der scheinbaren Rationalität der Verwertungslogik das
Wort zu reden. Ganz im Gegenteil: die Verwertungslogik des
Kapitalismus braucht die Mystifizierung des Künstlers als
Gegenentwurf, als stabilisierenden Gegen-Mythos. Das
Effizienzargument greift erst dann so richtig, wenn wir gleichzeitig
großartige Geschichten von "undurchschaubaren" und "prinzipiell nicht
verstandesgemäß erfassbaren" Menschen und von deren Scheitern erzählt
bekommen. Das vermeintliche "Irrationale" soll als beständige Quelle
der Irritation und gleichsam als Fanal dienen, um die "Effizienz" und
"Transparenz" der industriellen Verwertungslogik überhaupt erst zu
rechtfertigen.

Beides sind aber objektivistische Konstrukte und Fiktionen, die der
Lebenswirklichkeit nicht gerecht werden: weder ist das Verhalten von
Menschen wie Lamarr so "unerschließbar" wie der Mythos behauptet,
noch ist die industrielle "Logik" so nachvollziehbar, zwingend und
transparent wie ihre Ideologen ständig daherfantasieren.

Ich vermute, dass Lamarr unter einem Krankheitsbild gelitten hat, das
heute so durchschnittlich als "Borderline" firmiert, womit allerdings
auch noch nicht allzuviel erklärt ist. Interessanter wird die Sache
allerdings, wenn man die Ursachen, Ursprünge und
lebensgeschichtlichen Wurzeln dieser Krankheit untersucht.

Gruß, s

> Gruß Artur

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