Zu Karsten Webers Artikel "So ist Privacy nicht zu retten"
(http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/konf/12700/1.html)
"Enfopol, Echelon, Digital Rights Management Systems: all diese
brisanten Themen wurden in der Regel nur von
Insidern diskutiert und in der Öffentlichkeit nicht aufgenommen. Es
wäre durchaus wichtig, diesen Sachverhalt sozialwissenschaftlich zu
durchdringen und durch empirische Untersuchungen zu erfahren, warum
sich dies so verhält."
Da Karsten Weber meinen Kommentar zu Beate Rösslers Vortrag negativ
erwähnt hat und fälschlicherweise in Zusammenhang mit einer
neoliberalen Position gebracht hat, hier nochmals die Argumentation.
Mir scheint, man kann zwei Positionen ausmachen: Die
Privacy-Aktivisten und die Direktmarketingmenschen und Überwacher.
Beide Positionen, wenn sie normativ begründet sind à la Rössler,
müssen vom gleichen "autonomen Subjekt" ausgehen: bei Rössler ist es
der frei entscheidende Mensch, bei den Marketingleuten der frei
entscheidende Konsument. Diese Konstellation macht klar, warum man
bei einer Kritik des "frei entscheidenden Subjekts" ansetzen sollte:
Rössler redet sonst witzigerweise Neoliberalen das Wort (wie es
Karsten Weber von mir behauptet hat).
Um einmal historisch zu argumentieren: Die Aktivisten der 60er Jahre
sind ebenso gescheitert mit diesem aufklärerischen Menschenbild wie
die traditionelle marxistische Linke (Stichwort Revolution). Die
philosophische, radikal-demokratische Tradition, die sich aus diesem
Scheitern entwickelt hat, ist offenbar an den Privacy-Rednern
vorbeigegangen: Butler, Laclau, Zizek, und so weiter. Die
nicht-normative Theorie bzw. die "Philosophie der letzten 30 Jahre",
die die Autonomie des Sujekts zuallererst in Frage stellt, scheitert
nicht wie alle normativen Ansätze à la Rössler (Kant, Adorno,
Habermas) am Eingangs zitierten Punkt "Warum macht niemand mit?"
Um schließlich noch einen Antagonismus mitzuliefern (Auswege gibt es
nicht, der Mensch wacht nicht auf weil er 'aufgeklärt' wurde): Genau
im Spannungsfeld, deren negative Ausprägung Levins Konzept der
"Happyveillance" darstellt, bewegt sich die Künstlergruppe Etoy. Inke
Arns hat mir recht gegeben, Etoys Aktivismus (und auch die
Privacy-Card) als buntes, aber dennoch ethisch und politisch
bedeutungsvolles Play zu bezeichnen. Etoy kommen aber eben nicht
normativ daher (vgl. mein Paper zu Etoy auf www.netzwissenschaft.de).
Wirkungsvoller als Datenschutzreden war ihr Toywar aber allemal...
kann mir das jemand mal normativ erklären?
Henning