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313 Beiträge seit 11.03.2000

Das Pfeifen im Walde

Nach dem Lesen des Artikels kann man sich entspannt im Sessel zurücklehnen, hat der Herr Lieven doch das bestätigt was man schon immer gewußt hatte. Die Russen sind der NATO weit unterlegen, und stellen deswegen keine Gefahr da. Doch ist dem wirklich so?

Ich möchte jetzt nicht ins Detail gehen, und greife daher nur zwei Punkte heraus um darzulegen, daß die Zahlenrabulistik von Herr Lieven keineswegs dazu taugt die Kräfteverhältnisse auch nur annähernd beurteilen zu können.

Zum Thema Anzahl Panzer, Flugzeuge, Artillerie und Soldaten. Seestreiträfte lasse ich mal außen vor, weil so breit ist die Wolga auch nicht.
Eine zahlenmäßige Überlegenheit der NATO nützt im Ernstfall nichts, weil die Munition nach einem Monat alle ist. Zu diesem Schluß kommt sein Kollege Vershinin der logisch nachvollziehbar und mit konkreten Zahlen unterlegt darlegt, dass der NATO die industrielle Basis fehlt um selbst kurzfristig einen Krieg in der Intensität der Russischen Sonderoperation führen zu können.

https://rusi.org/explore-our-research/publications/commentary/return-industrial-warfare

In die gleiche Kerbe schlägt übrigens auch der Generalinspekteur der Bundeswehr der kürzlich die Meinung vertrat:

"Beim Material ginge es Zorn nicht in erster Linie um Panzer. So seien zunächst erst einmal Munitionsbestände aufzufüllen."

https://www.bundeswehr.de/de/organisation/streitkraeftebasis/aktuelles/wie-einsatzfaehig-ist-die-bundeswehr-5393028

Zum Thema Kampfkraft Russlands.
Wenn Herr Lieven schreibt

"Vor sechs Monaten wäre das im Vergleich zur russischen Armee noch klein erschienen, aber die Ukrainer haben gezeigt, wie eine kleine Zahl gut ausgebildeter, gut ausgerüsteter und gut motivierter Soldaten viel größere Armeen zum Stillstand bringen kann. Und wenn Russland Polen angreifen würde, wäre es undenkbar, dass sich der Rest der Nato zurückhält."

dann hat er in einem Satz gleich drei falsche Behauptungen aufgestellt. Zu Beginn der Sonderoperation war die ukrainische Armee die zweitgrößte in Europa, und im Mai standen 700000 ukrainischen Soldaten und Reservisten um die 200000 russische Soldaten und ihrer Verbündeten entgegen. Es ist also so, dass Russland und seine Verbündeten sich in 1:3 Unterzahl der ehemals zweitgrößte Landstreitmacht in Europa gegenüber sehen, und nicht eine kleine Armee sich gegen eine Übermacht verteidigt.

https://www.euronews.com/2022/05/21/live-sievierodonetsk-shelling-brutal-and-pointless-zelenskyy-says-as-russia-continues-offe

Natürlich ist es nicht so, dass das Verhältniss über die gesamten 800km der Front bei 1:3 liegt. Im Donbass lag dieses am Anfang der Operation bei 1:1, jetzt geht es gegen 2:1.

https://youtu.be/55fJOOP4AkQ ab ca. 07:28

Der Angriff ist auch nicht wie behauptet zum Stillstand gekommen. Im derzeitigen Fokusgebiet Donbass werden die in den letzten 8 Jahren errichteten Verteidigungslinien der Ukrainer solange geschwächt bis diese kollabieren, und sich die Ukrainer auf die nächste zurückziehen müssen.
Die Kampfkraft der Russen ist also nicht geringer, sondern weitaus höher als die der ukrainischen Streitkräfte. Eine Armee, die in den letzten 8 Jahren von der NATO aufgebaut und ausgebildet wurde.

Ehrlich gesagt kommt mir der ganze Artikel wie das berühmte Pfeifen im Walde vor, wobei der Author die Melodie nicht trifft.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (22.07.2022 09:12).

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