Aequis aequus schrieb am 05.07.2021 12:19:
... es gibt doch 2 Möglichkeiten:
Nein, es gibt nicht nur zwei Möglichkeiten. Impfungen haben immer einen gewissen Schutzeffekt gegen spezifische Viren und auch spezifische Nebenwirkungen.
Man muss jedesmal sowohl gesellschaftlich als auch persönlich abwägen, ob der Nutzen der Impfung die Nachteile überwiegt. Gesellschaftlich heisst: Je höher die Impfquote, desto besser die allgemeine Schutzwirkung. Schwere Nebenwirkungen treten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf, das ist gegen die schweren Verläufe abzuwägen. Persönlich heisst: Schützt mich die Impfung mehr, als mich ihre Nebenwirkungen gefährden? Das erste ist eine Frage der Statistik - das zweite eine Frage der persönlichen Risikoabschätzung. Wen man mehr Angst vor den Nebenwirkungen hat als vor den Folgen einer schweren Erkrankung heisst das nicht unbedingt, dass die Folgen einer schweren Erkrankung harmloser oder unwahrscheinlicher sind als Nebenwirkungen der Impfung. Die Frage ist: Wie bekommt man bei den widersprüchlichen Informationen, die auf einen einprasseln, ein halbwegs nüchternes, der Situation angemessenes Urteil hin?
Also ich sehe Folgendes:
1. Es gibt Millionen bekannter Fälle schwerer Folgen der Covid-Erkrankung mit Toten und Langzeitfolgen, über die schon gar nicht mehr einzeln berichtet werden kann, weil es schlicht zu viele sind. Dagegen wird nahezu jeder Fall, wo jemand durch Nebenwirkungen der Impfung zu Schaden kommt, eine Sensation. Das mögen Tausende weltweit sein, es sind aber eben keine Millionen.
2. Vergleichen wir mal mit anderen Risiken. Was ist wahrscheinlicher? Von einem abstürzenden Internetsatelliten erschlagen zu werden, oder durch Impfnebenwirkungen Schaden davonzutragen? Was ist mit Verkehrsunfällen? Ein Beinbruch ist ja kein Beinbruch. Wie sieht es aus mit der Aufnahme von BPA, Mikroplastik und Phtalate durch den Konsum von Lebensmitteln (z.B. Wasser) aus ungeeigneten Plastikverpackungen? Jetzt mal nur als ein paar Beispiele, um die Phantasie anzuregen.
Also, erst einmal: Ich weiss es auch nicht. In Biologie war ich in der Schule nie so besonders gut. Nach Bauchgefühl würde ich mal sagen, die zweieinhalb Tage Grippesymptome nach der zweiten Pfizer-Impfung waren es zunächst mal wert. Ich gehe mal davon aus, dass die Impfung nächstes Jahr zu wiederholen sein wird, da muss man abwarten, wie sich das entwickelt. Ist alles nicht ideal, aber im Vergleich dazu, ein gigantisches freilaufendes Viren-Mutationsexperiment mit der Gesamtbevölkerung des Planeten laufen zu lassen und sehen, was so passiert, erscheint meiner Meinung nach die eindeutig schlechtere Alternative. Übrigens gabs hier die letzten Jahre wieder ein paar Masernausbrüche, bei dem ein paar Kinder gestorben sind. Der Grund waren Eltern, die glaubten, die Masernimpfung wäre was ganz schlimmes, die damit die Impfquote runtergedrückt hatten.
Deshalb:
3) Die Impfung hilft ein Stück weit. Je mehr geimpft werden, desto besser die Gesamtwirkung. Sie ist weder 100% zuverlässig noch 100% nebenwirkungsfrei. Sie verhindert auch die Ansteckungsgefahr nicht vollständig, dämpft aber bei hinreichender Verbreitung die Ausbreitung erheblich und damit die Chance, dass Mutationen entstehen. Bei der Zusammenkunft von Geimpften und nicht Geimpften im öffentlichen Raum haben also zuallererst die nicht Geimpften etwas zu befürchten, da ihr Risiko, sich etwas einzufangen und schwere Symptome zu entwickeln, wesentlich höher ist, als das der beteiligten Geimpften. Wer sich impfen lässt, geht damit zum Wohle aller auch das Risiko ein, eine schwere Nebenwirkung zu erleiden. Man kann wohl niemandem eine Vorwurf daraus machen, nach gründlichem Abwägen aller Vor- und Nachteile auf die Impfung zu verzichten und sich den Risiken eines schweren Verlaufs der Erkrankung mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auszusetzen, nur sollte dies halt wirklich nach gründlichem Abwägen geschehen. Ich sehe da auch kein so fundamentales Problem drin, ist halt nur Seuchenhygiene. Die Menschheit hat in den letzten 200 Jahren recht gute Erfahrungen damit gemacht, und lernt auch immer mehr dazu. Wäre schön, wenn wir auch bei anderen brennenden Themen derart lernfähig wären.