Als ich in den 80ern anfing Südeuropa zu bereisen, ein paar Sprachkurse machte, stolperte ich immer wieder über so Begrifflichkeiten wie, Savoir Vivre, Laissez faire, dolce vita ... man saß draußen auf der Rambla, in kleinen Orten auf Stühlen vor dem Haus, in Café's und schwatzte. Das hat mir sehr gefallen. In meiner Kindheit hatte meine Mutter das Telefon abgeschafft, weil sie es als Symbol für meinen Vater fand, und daher nach der Scheidung auch weg musste. Das war mir erst peinlich, meinen Schulfreunden gegenüber - ich glaube, ich war das einzige Kind in meiner Klasse, das man nicht telefonisch erreichen konnte. Aber bald stellte sich das als großer Vorteil raus, denn meine Mutter war zwar gegen Telefon, aber gleichzeitig sehr Gast freundlich. Und so war es nicht unüblich, das ich nach Hause kam und eine Tischrunde von 4-5 Personen vorfand. 1-2 waren mein Besuch, die anderen für meine älteren Geschwister und für meine Mutter. Über 10 Jahre gehörte in meiner Kindheit/Jugend als regelmäßiger Gast ein DDR-Flüchtling, der mal in Ost-Berlin Kunst studiert hatte, der mich wohl am meisten fasziniert hatte, weil er mich wie einen kleinen Erwachsenen behandelt hatte. Es war eine Traum-Kindheit, mit vielen unterschiedlichen Menschen, mit den unterschiedlichsten Backgrounds und Anregungen, für einen jungen, die Welt entdeckenden Menschen - unplugged und ganz nah und erlebbar.
Ich glaube, so etwas ähnliches fehlt heute vielen Menschen. Diese Ver-Singelung, dieses durch getaktete Leben, nur Treffen nach vorheriger Verabredung, handverlesene nur exakt auf der eigenen Linie lebende und denkende Menschen treffen, Altersbarrieren, die nicht sein müssten, macht etwas mit den Menschen, und ich glaube nichts gutes. Wer die Offenheit gegenüber Andersdenkenden, weil auch Anderslebenden Menschen nicht schon früh gelernt hat, empfindet eine andere Sicht auf die Welt womöglich nicht als Bereicherung der eigenen Perspektive, sondern als Bedrohung. Ich wäre damals nie im Traum darauf gekommen, mich von anderen Lebensentwürfen und den schrägsten Gedanken verunsichert zu fühlen. Ich fand es interessant, und habe viel gelernt - denn alle saßen bei meiner Mutter, mit Kaffee und Kuchen.