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  • Theo Gantenbein

5 Beiträge seit 24.10.2022

Re: Kompendium Wirtschaftswachstum

Volle Zustimmung. Der Autor des Artikels hat zudem das eigentliche Problem nicht erkannt, das im UK fast zu einer neuen Finanzkrise geführt hätte: Britische Pensionsfonds fahren eine "LDI"-Investmentstrategie und setzten dabei mit allerlei Derivaten auf fallende(!) Zinsen. Laut OECD verwalten britische Pensionsfonds Assets im Wert von über 100% des BIP, zum großen Teil übrigens britische Staatsanleihen (Stichwort: Klumpenrisiko). Steigt das Zinsniveau nun, wie bei der nicht gegenfinanzierten Steuersenkung von Frau Truss, erhalten die Pensionsfonds für die Derivate "Margin Calls", weil die hinterlegten Sicherheiten (hier: Staatsanleihen) im Kurs sinken. Also brauchten sie schnell viel Geld. Da Pensionsfonds keine echten Banken sind, konnten sie auch nicht an Offenmarktgeschäften der Bank of England (BoE) teilnehmen und Anleihen zeitweise gegen Cash "verleihen". Sie haben dann alle auf einmal ihre Staatsanleihen verkauft, die dadurch immer weniger wert wurden (und die Zinsen stiegen und stiegen). Erst, als die BoE öffentlich ankündigte, gigantische Mengen britischer Staatsanleihen aufzukaufen, beruhigte sich die Lage. Capital schilderte die Lage als dramatisch: https://www.capital.de/wirtschaft-politik/grossbritannien--beinahe-crash-am-anleihemarkt-wegen-pensionsfonds-32811838.html Bei CNBC klingt es noch schlimmer - dort wird die BoE zitiert, wonach die britischen Pensionsfonds nur Stunden von einer flächendeckenden Insolvenz entfernt waren: https://www.cnbc.com/2022/10/06/bank-of-england-says-pension-funds-were-hours-from-disaster-before-it-intervened.html

Was dann zu der Frage führt, ob es nicht irgendwie gefährlich sein könnte, die Altersvorsorge der breiten Bevölkerung kapitalgedeckt "den Märkten" zu überlassen, wenn diese Märkte bei der leisesten Veränderung in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Oder warum kapitalgedeckte Altersvorsorge angeblich billiger, besser und krisensicherer wäre, wenn wir ca. alle zehn Jahre den Finanzsektor mit gigantischen staatlichen Rettungspaketen bzw. Zentralbank-Interventionen 'raushauen müssen.
Das Umlageverfahren bei der Rente hat übrigens auch einen Kapitalstock - nämlich den der jeweiligen Volkswirtschaft. Das BIP entsteht ja wohl kaum im luftleeren Raum.

Vielleicht sollte der Finanzsektor wieder darauf zurückgeschrumpft werden, was er ursprünglich mal machen sollte: Kredite an Wirtschaftsunternehmen vergeben, damit die wachsen können. Derivate kann es gern auch geben, aber dann bitte nur noch 2 Stück je realem Kontrakt.

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