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  • Mathematiker

mehr als 1000 Beiträge seit 22.02.2014

Die Kernstadt ist immer ein Ghetto

auf den Schweizer Kontext bezogen

Ich weis nicht, wofür die Schweiz in irgendeiner Form einen exemplarischen Charakter haben soll. Die Schweiz besondere Topographie und zieht ihren Wohlstand aus anderen Kriterien, als der Rest der Welt.

Fakt hingegen ist, dass die Begriffe Agglomeration und Metropolregionen einmal Begriffe waren, die Siedlungsstrukturen jenseits der rein willkürlich festgelegten Stadtgrenzen fassen und behandeln wollte, aber schon längst politisch verwurstet wurden.
Ein schönes Bespiel für die Sinnhaftigkeit der Begriffe:
Ein Vergleich von Berlin und Herne.
Die Stadt Berlin ist groß 3,6 Mio. Das Umland, was man noch zum Einzugsgebiet zählen kann, fällt nicht großartig ins Gewicht. Wer da mit 30% Aufschlag kalkuliert, der ist gut dabei.
Die Stadt Herne hat nur 156 000 EW und trotzdem das "Müncher Oktoberfest auf Koks". Also fast so viele Besucher, auf einer sehr viel geringeren Fläche und in einem kürzeren Zeitraum. Warum? Schaut man sich das Einzugsgebiet an, wird schnell klar, das dieses viel mehr Einwohner als Herne oder auch Berlin hat. Wer also mit dem Berlin-Setting nach Herne geht, der legt sich auf die Nase.
Leider entdecken Politik und Marketing solche Begrifflichkeiten sehr schnell und dann wird aufgeblasen, bis der Arzt kommt.
So haben die Metropolregionen Berlin/Brandenburg, Hamburg und Nürnberg eine Bevölkerungsdichte, die unterhalb der Bevölkerungsdichte der BRD liegen. Was soll der Quatsch da noch Aussagen, außer dem verzweifelten Bemühen, irgendwie an Bevölkerungsmasse zu kommen.

Vorstadt ist da, wo die Stadtgrenze endet oder zumindest das Weichbild der Stadt ausläuft. Die Eisenbahn hat Agglomeration und Suburbia ermöglicht, weshalb an ihren Adern entlang gesiedelt wurde.

Hä? Sind wir hier irgendwo im mittleren Westen der USA? Ich kann den Autor da beruhigen, fast alle Vorstädte sind ehemalige Dörfer und die Eisenbahnlinien wurden entlang der bestehenden Siedlungsstrukturen gebaut..

Die Randwanderung von Industrie und Wohnen wurde oftmals von der sich ausbreitenden Stadt wieder eingeholt, etwa als 1920 die Einheitsgemeinde "Groß-Berlin" umgesetzt wurde.

Berliin ist nun wirklich am Schlechtesten als Beispiel geeignet.
Das Preußenstädtchen war viele Jahrhunderte ein völlig belangloses Nest, bis es dann im zweiten Kaiserreich zur Hauptstadt gemacht wurde und plötzlich gegen jahrtausendealte Haupstädte konkurrierte. Das "Groß-Berlin" diente vor allen Dingen dazu, um an Masse zu kommen und zu zentralisieren. Zur Erinnerung: Das größere Ruhrgebiet hat immer noch eigenständige Städte und wird durch 3 Regierungsbezirke (alle auf Bundeslandstärke) zerteilt. Da hatte man auch offensichlich Angst.
Aber auch für die weiteren Ausführungen taugt Berlin nicht.
Während der Nachkriegszeit war Berlin geteilt und im Osten der Kommandoplanung des Sozialismus unterworfen. Noch heute hat Berlin eigentlich 2 Stadtzentren.

Für allgemeine Betrachtungen sollte man daher lieber natürlich gewachsene Städte, wie Essen, Frankfurt, Köln oder Nürnberg genehmen.
Das Bild ist dort aber ziemlich identisch:
Die Villenviertel der Besseresser befinden sich außerhalb oder in einer Randlage der (spät-)mittelalterlichen Stadtgrenzen. Die alten Kernstädte sind für komfortables Leben einfach viel zu dicht gepackt und viel zu laut. Zu einem guten Leben gehören auch Ruhe und Grünflächen. Nicht umsonst sind die Häuser in der Nähe von Parks oft die teuersten Wohnlagen.
Während Städte bis ins späte Mittelalter vor allen Dingen auch ein Schutzfunktion und Freiheit vor dem Adel bedeuteten und dort die Ordnung rigoros durchgesetzt, bietet sich bei den Kernstädten heute ein komplett gegenteiliges Bild:
- Sie sind laut und stinken.
- Wer einen Baum oder gar eine ordentliche Grünfläche sehen will, der ist schonmal einige Zeit unterwegs. (Besonders gruselig ist hier Nürnberg)
- Die ganzen Problemmitmenschen sammeln sich in den Kernstädten. Obdachlose, Drogensüchtige, Kriminelle etc.
- Ein oft radikaler Bevölkerungsaustausch zwischen Tag- und Nacht. Während diese Kernstädte während der Geschäfts- und Ausgehzeiten noch einen sehr angenehmen Eindruck machen, lungert dort zu den anderen Zeiten ein ganz anderes Volk herum. Niemand, mit dem der Durchschnittbürger gerne die Anweisenheit teilt. (Und dieser Effekt ist ein weltweites Phänomen.) Wo dort keine Grenzen gesetzt werden, entsteht im besten Falle eine Seggregation oder im schlechteren Falle die sog. Gated Communities.

Dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof vor einiger Zeit ein Volksbegehren gegen den Flächenverbrauch als unzulässig abgelehnt hat, ist bedauerlich.

Das bedauern immer gerne solche Mitmenschen, wie der Anton Hofreiter. Der hat selber sein Schäfchen im Trockenen und möchte gerne, dass die Anderen im Ghetto wohnen, um seine Befindlichkeiten nicht zu verschandeln. Die Anderen sollen sich doch bitteschön an die Käfighaltung gewöhnen.
Was hat man denn getan, um die Lebensqualität in den Kernstädten zu heben?
Im Moment ist das "Nachverdichten" schwer en vogue. Da werden dann die letzten Grünflächen und Frischluftschneisen plattgemacht. Betonklötze, die im Sommer eine irre Hitzeentwicklung haben.
Und die ganzen Problemlagen bekommt man in unserer Republik schon garnicht mehr in den Griff. Brennpunktsschulen, etc.

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