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Avatar von auf_der_hut
  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: Warum soll die Bekämpfung der Opposition die Demokratie stärken?

Danke für die ausführliche Antwort.

Ich stelle fest, dass wir darin übereinstimmen, dass Wahlen die Demokratie nicht abschaffen dürfen und Antidemokraten dann vielleicht keine für sie wählbare Partei auf dem Wahlzettel finden.

Wo wir nicht übereinstimmen ist die Einschätzung der AfD. Mich beunruhigt, gerade auch im europäischen Vergleich, die Dynamik zu immer radikaleren Positionen in der AfD und ihre Gegen die "rechtsextremen Spinner" geht nicht mehr viel in der Partei, die immer weiter weg von der praktischen Politik ins Sektiererische abrutscht. Die zur Gründung der NSDAP 1920 formulierten 25 Punkte würden heute (vom zeitgeschichtlichen Ballast befreit) jeden AfD-Parteitag in Ekstase versetzen. z.B:

"
7. Wir fordern, daß sich der Staat verpflichtet, in erster Linie für die Erwerbs- und Lebensmöglichkeit der Bürger zu sorgen. Wenn es nicht möglich ist, die Gesamtbevölkerung des Staates zu ernähren, so sind die Angehörigen fremden Nationen (Nicht-Staatsbürger) aus dem Reiche auszuweisen.

8. Jede weitere Einwanderung Nicht-Deutscher ist zu verhindern. Wir fordern, daß alle Nicht-Deutschen, die seit 2. August 1914 in Deutschland eingewandert sind, sofort zum Verlassen des Reiches gezwungen werden.

11. Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens.
"

(Quelle: http://www.documentarchiv.de/wr/1920/nsdap-programm.html"

Selbstverständlich gibt es auch große Unterschiede zwischen AfD und NSDAP. Die NSDAP hatte keine Vorgeschichte als rechtsliberale "Professorenpartei", als eine Art Wiedergeburt der vor-Merkel CDU, als die manche sie ansahen. Bei der AfD fehlen die sozialistischen Versatzstücke, die sich im Programm der NSDAP finden, z.B. die Forderung zur "Ausbildung geistig besonders veranlagter Kinder armer Eltern ohne Rücksicht auf deren Stand oder Beruf auf Staatskosten."

Die AfD deckt dafür große Teile des Spektrums mit ab, aus dem die nationalkonservativen Koalitionspartner kamen, die Hitler 1933 zur Macht verhalfen, also vor allem die DNVP.

Die Notstandsgesetzt haben den Untergang der Weimarer Republik zwar nicht verhindert, aber verzögert und ganz sicher nicht verursacht. Sie bedeuteten eine Entmachtung des Reichstages zugunsten des Reichspräsidenten, der aber direkt gewählt war. Die Weimarer Republik wurde dadurch von einer parlamentarischen praktisch zu einer Art Präsidialdemokratie. Paradoxerweise war es gerade der Kurswechsel der SPD, die die schon mit Notverordnungen regierende Regierung Brüning noch gestützt hatte, der Hindenburg dazu zwang, den dysfunktionalen Reichstag zweimal aufzulösen und schließlich Hitler (den er nicht leiden konnte) zum Reichskanzler zu ernennen.

Hitler selbst regierte nur wenige Wochen mit Notverordnungen. Durch den Ausschluss der Kommunisten nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 33 besaß seine Regierung schnell wieder eine parlamentarische Mehrheit. Im März entmachtete sich dann der Reichstag durch das Ermächtigungsgesetz selbst. Damit war die Demokratie faktisch beendet, obwohl die Weimarer Verfassung weiter formal in Kraft blieb.

Ich bin der Meinung, dass die wehrhafte Demokratie sich zum Gespött macht, wenn sie eine Partei, die als "gesichert rechtsextremistisch" gilt, zwar beobachtet, aber weiter auf dem Wahlzettel lässt. Es sollte unterhalb der dicken Keule "Parteiverbot" die Möglichkeit geben, in einem schlankeren, gleichwohl rechtstaatlichen Verfahren die Zulassung zu bestimmten Wahlen zu unterbinden. Zusammen mit Auflagen, bei deren Erfüllung die Partei wieder zu Wahlen zugelassen wird. Die Demokratie macht sich lächerlich, wenn sie Höcke's Landesverband als rechtsextremistisch einstuft aber dann nicht verhindert, dass der nächste Ministerpräsident möglicherweise Höcke heißt und dann seine eigene Beobachtung durch den VS beendet, ohne dass sich an den Zuständen bei der AfD in Thüringen irgendetwas geändert hätte.

Soso, deine Meinung ist die richtige und eine andere ist nicht zulässig? Nettes Verständnis von Demokratie.

Ich habe das genaue Gegenteil geschrieben. Alle Meinungen sind zulässig, aber deshalb nicht zwangsläufig wählbar. An Wahlen können nur Parteien teilnehmen, die aktiv zur FDGO stehen. Daran gibt es bei der AfD begründete und wachsende Zweifel.

Ach du meinst so die das neue "Wahlgesetz" der Ampel, das die Erststimmen quasi entwertet und die Zweitstimmen stärkt also noch mehr in den "Fraktionszwang" einzahlt den es offiziell gar nicht gibt.

Da ist die Ampel nun einmal auf der Linie der AfD und dann ist es dir auch wieder nicht recht. Denn der AfD-Antrag zur Wahlrechtsreform entspricht in wesentlichen Teilen (Wegfall der Überhangmandate und der Grundmandatsklausel) dem der Ampel, nur ist er noch radikaler (Verkleinerung auf 598 statt 630) und wollte über die Aufteilung von Zweistimmen einen Einfluss auf die Parteilisten einführen.

Der Abgeordnete Glaser (AfD) wies in der Debatte zurecht darauf hin, dass sich das Gewicht der Direktmandate verringert hat, weil durch die Veränderung der Parteienlandschaft viele schon mit unter 30% gewonnen werden und insofern nicht mehr repräsentativ sind.

Einen Fraktionszwang existiert in der Tat nicht, der stünde im Gegensatz zur in der Verfassung garantierten Gewissensfreiheit des Abgeordneten. Die Fraktionen hätten auch keine Handhabe den durchzusetzen, schon gar nicht bei nicht-namentlichen Abstimmungen. Es gilt allerdings als parlamentarisches Foulspiel, im Plenum anders abzustimmen als in den Probeabstimmungen innerhalb der Fraktion. Meinst du das?

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