Ansicht umschalten
Avatar von
  • unbekannter Benutzer

mehr als 1000 Beiträge seit 12.09.2014

Re: Es liegt nicht nur am Preis...

firedancer schrieb am 14.02.2018 09:58:

Habe zufällig gestern mal wieder den Sprung über den Main mit dem RMV gewagt, die kurze Strecke von Niederrad zum Hauptbahnhof, 4,1 km auf der Straße, ca 11min Fahrzeit per Kfz

Es soll ja auch Leute geben, die nehmen für 4 km - besonders, wenn sie von zu Hause aus starten - dafür das Fahrrad. Und es soll auch Leute geben, die an Fasching in einer Millionenmetropole nicht erwarten, dass alles reibungslos funktioniert und nicht erwarten, dass niemand im ÖPNV Fasching feiert.

Schon mal als nicht unbedingt geübter Fahrradfahrer durch Frankfurt geradelt, und nicht nur immer schön die ausgebauten Radwege am Main entlang? Innenstadtverkehr, mehrspurig, etc... Da können 4km zu einer nervenaufreibenden tour de force werden.
Und wenn nun mal gewisse Stellen meinen einen nicht verlegbaren Termin auf den Fastnachtsdienstag legen zu müssen, dann geht der Vorwurf auch ins Leere, zumal Frankfurt nun nicht gerade mit Köln oder Mainz zu vergleichen ist, wo ich mit dem Totalzusammenbruch der Verkehrsnetze durchaus rechnen kann, und die es erstaunlicherweise dennoch schaffen, gerade an diesen Tagen mit erhöhter Taktfrequenz und Sonderzügen die Feiernden von A nach B zu bringen, wohingegen der RMV den Großteil des innerstädtischen Betriebs z.B. auch mal am 31.12. ab 20 Uhr bis 1.1. 06 Uhr komplett einstellt.

Zu den Rush-hours bedarf es dort halt eines 2-5min-Taktes (siehe London), der dann den Rest des Tages auf 10min heruntergefahren werden kann, in den Randzonen auch auf 15-20min. Nachts durchgehend 30min-Takt mit sinnvollen Streckenführungen und getakter Verteilung in die Fläche, ...

Schon, nur ist das nichts neues. Und ich darf auf gewisse Forenten hinweisen, welche da so tolle Sätze sagen wie die folgenden: "Bitte nicht .... Und vor allem bezahlen dann viele Menschen díe den ÖPNV selten oder gar nicht benutzen für andere mit. Das ist nicht gerecht."

Jemand muss das bezahlen. Und wie immer: Die eine Hälfte findet das gut, die andere Hälfte schreit Zeter und Mordio.

Ich stehe ja dem kostenlosen ÖPNV weder ablehnend noch begeistert gegenüber. Aus meiner Sicht ist es aber nur ein Übertünchen der tatsächlichen Probleme, die mangelbehaftete Ware jetzt umsonst anbieten zu wollen, ohne für tatsächliche Qualität zu sorgen.
Und was mangelnde Solidarität angeht, so ist dies inzwischen leider zur allgemeinen gesellschaftlichen Norm geworden. Individualismus und Egoismus werden gewünscht und gefordert. Zusammenhalt und Sozialverantwortung hingegen sind des Teufels.
Dies zu ändern bedarf es aber eines grundlegenden Systemwechsels und kompletten gesellschaftlichen Umdenkens, was sich nicht nur auf den Verkehrsbereich beschränkt.

Auf dem Land ist dringend eine Bedarfsevaluierung nötig

In Anbetracht dessen, dass der Kostendruck in Städten und Gemeinden sehr hoch ist, können wir davon ausgehen, dass dies regelmäßig geschieht. Das ist gerade auch ein Teil des Problems: Gerade im ländlichen Raum gibt es genau deswegen kaum Linien.

Weil die vorhandenen Linien außerhalb des Schulbusverkehrs zumeist leer unterwegs sind, da zeitlich und von der Taktung unpraktikabel für die meisten potenziellen Nutzer. Anstatt zu schauen, wann tatsächlich ein Bedarf bestünde und dementsprechend zu planen, wird oftmals blind drauflos festgelegt, weil der Bus ja schon seit 20 Jahren zu dieser Zeit fuhr. Nur dass sich die gesamte Wirtschafts- und Alltagsinfrastruktur inzwischen komplett gewandelt hat, wird gerne verschlafen. Lieber behält Bauer XY seine Haltestelle direkt vor der Haustür in der Pampa, weil, er hat ja ein urzeitliches Anrecht darauf, auch wenn seit 15 Jahren dort niemand mehr eingestiegen ist, lieber lässt man den Bus vor der Industriebrache, in deren Umfeld von zig Kilometern weder Leben noch Arbeit vorhanden ist, halten, als ihn zum Neubaugebiet oder dem neuen Einkaufszentrum umzuleiten. Verkrustete und auf Individualansprüchen einer selbsternannten, meist großbäuerlichen, Elite basierende Verfilzungen und verkorkste Entscheidungen sind auf dem Land, wo tatsächlich der Klüngel noch stärker regiert, als in der Rheinmetropole, herrschender Alltag.
Übrigens wäre eine der ersten zielführenden Maßnahmen aus meiner Sicht, die alte Idee von Park&Ride wieder aufleben zu lassen und endlich mal vernünftig umzusetzen, wie (ausnahmsweise mal positiv) am Beispiel Amsterdam zu sehen, wo das Auto für einen unglaublich günstigen Preis (seinerzeit 6€/Tag) außerhalb des Zentrums in einem bewachten Parkhaus abgestellt werden kann und die Fahrt mit der Metro ins Zentrum und zurück bereits im Tarif enthalten ist. Auch ein Umstieg auf das kostenlose Mietrad wäre möglich, wenn es nicht so weit draußen ist. Aber genau diese Idee greift hierzulande niemand auf...

Solange es aber an den grundlegenden Verkehrskonzepten hapert, dürfte auch die kostenlose Beförderung an der Akzeptanz des ÖPNV, von der oft mehr als mangelhaften Sauberkeit und Sicherheit gar nicht zu reden, relativ wenig ändern.

Wie sollten denn diese "grundlegenden Verkehrskonzepte" aussehen?

Ansätze hierzu habe ich aufgezeigt, von der engen Taktplanung und großzügigerem Platzangebot in den Metropolregionen bis hin zum Rufverkehr (z.B. AST) im ländlichen Bereich. Kombiniert man dies mit anderen Verkehrsträgern und berücksichtigt auch mehr die Bedarfe der Nutzer, anstatt stumpfsinnig Angebote zu schaffen, die für die meisten umständlich und mit mehrmaligem Umsteigen verbunden sind, so wäre man schon einen großen Schritt weiter in Richtung Akzeptanz. Dazu noch eine nahe Taktung zum Regional und ggf. Fernverkehr wäre schon ein Traum.
Und wenn man dann noch verkehrsträgerübergreifend denken würde, könnten sich viele Menschen tatsächlich entscheiden, auf das eigene Auto zu verzichten.
Nur muss das alles auch für den Einzelnen mit den ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln leistbar sein. Eine Lösung hierfür kann dann tatsächlich das solidarisch finanzierte Bürgerticket werden, oder eben der "kostenlose ÖPNV", d.h. z.B. steuerfinanziert (also im Idealfall ebenfalls solidarisch).

Dumm wäre es halt nur, würde man ein Produkt umsonst anbieten, dass dann trotzdem keiner nutzen will, weil die Qualität nicht stimmt. Aber wir leben nunmal in einer Gesellschaft, in der immer noch gilt: "Was nichts kostet ist nichts wert!" und "Qualität bestimmt den Preis!" (wobei dann bei den heute bereits erlebbaren Zuständen eigentlich Zahlungen an die Nutzer fällig wären - Schmerzensgeld sozusagen)

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (14.02.2018 15:07).

Bewerten
- +
Ansicht umschalten