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mehr als 1000 Beiträge seit 10.01.2003

Re: Alles richtig, der letzte Absatz ist sehr fragwürdig

Ist, glaube ich, eher ein Henne-Ei-Problem.

Aber auch dein Einwurf ist wiederum spannend: wie soll die Alternative zu dem aussehen, was wir gerade als "Normal" erleben?
Du sagst es ja: alle alternativen Konstrukte haben nicht funktioniert, etwa weil sie die Motivation des Menschen falsch oder gar nicht berücksichtigt haben.

Man kann's auch etwas anders anfassen: die meiste Zeit hat die Menschheit mal mehr, mal weniger im Einklang mit der Natur gelebt. Nimmt man die gesamte Menschheitsgeschichte in Betracht, leben wir eigentlich erst die letzten 2000 - 4000 Jahre wider der natürlichen Gegebenheiten. Umweltzerstörung ist kein Zeichen der Neuzeit sondern ein treuer Begleiter der menschlichen Zivilisation. In England soll es mal der Langbogenbau so doll getrieben haben, dass auf der ganzen Insel kein Eibenholz mehr zu finden war und bestimmte Steuern nicht in Gold sondern Eibenholz zu entrichten waren. Auch gibt's diverse völlig entwaldete (Halb)Inseln für den Schiffsbau oder für irgendwelche Götzenanbetereien. Wieviele Steinbrüche waren wohl nötig für Pyramiden (4000 Jahre) und Burganlagen? Wieviele Gebirge sind unterhöhlt dank jahrhunderterlanger Ausbeutung von Metallen aller Art?

Je nach Definition gibt's die Menschheit seit 1 bis 3 Millionen Jahren. Die Zivilisation der Menschheit ist aber bei sehr großzügiger Auslegung knapp 10.000 Jahre alt (also 1 - 0,3%). In der Hälfte dieser Zeit wurden noch heute nachweisbare Umweltveränderungen vollzogen. Und in den letzten 150 - 200 Jahren hat das alles nochmal mächtig an Tempo gewonnen, wobei das Gros der Last effektiv auf die letzten zwei Menschengenerationen entfällt. Und diese zwei Generationen, zu der wir ja alle gehören, vervespern so viele Ressourcen wie alle Menschengenerationen in den 4000 Jahren zuvor. Das ganze übrigens mit massiver Schieflage: 3 Milliarden Menschen haben fast nix, weitere 3 Milliarden wenig Ressourcenbedarf. Übrig bleiben 2 Milliarden Menschen die im Schnelldurchgang alles verkonsumieren, was irgendwie verkonsumierbar ist.
Das sollte uns eigentlich zu denken geben, ob das, was wir hier tun, wirklich richtig ist.

Nur: die Fragestellung ist nicht wirklich aufrichtig zu beantworten ohne die Folgefrage: auf was sind wir bereit zu verzichten?

Am Ende sind wir eben wie die Heuschrecken, die den Planeten runterwirtschaften. Zum Glück, muss man sagen, haben wir das Tor zu interplanetarer oder interstellarer Raumfahrt gar aufgestoßen. Wir haben nur den einen Planeten und wir verkonsumieren gerade die letzten Reste dessen, was sich mit unserer Technologie abbauen, anbauen, fördern oder sonstwie dem Boden abtrotzen lässt. Bei stetig wachsender Weltbevölkerung mit der hohen Anspruchshaltung, auch mehr vom Kuchen des materiellen Wohlstands abzubekommen.
Die Denke ist übrigens auch trotz kurzer Pause dank Corona-Krise so fest verwurzelt, dass wir weiterhin glauben, mit CO2-Einsparungen und Verzicht auf's Auto irgendwas bewirken zu können.

Pustekuchen. Die Systemfrage bleibt stehen - und gehört erweitert eben um die Frage, auf was wir verzichten können, wollen oder müssen. OHNE Verzicht geht's nicht. Die Frage ist, ob's Totalverzicht wird oder ob's einfacher ist, die unnötige Verkonsumiererei abzustellen und statt dessen wieder auf langlebige, reparierbare Produkte zu setzen und möglichst alles im Wertschöpfungskreislauf zu halten. Besser noch als Recycling (eine Grundsäule der Kreislaufwirtschaft) ist aber, wenn gar nicht erst weggeworfen würde.

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