Das Internet. Nach dem Auto eben das Internet. Und wenn wir dann das Internet ohne größeren Erfolg auf "umweltfreundlich" getrimmt haben, kommt garantiert noch irgendein Kleckerlesbeiträger zum CO2-Abdruck an die Reihe.
Butter bei die Fische: wir können über Optimierungen reden. Jap, Streaming frisst ordentlich Energie. Jede verschickte E-Mail trägt mit 1g CO2-Emission mit bei und es werden Milliarden Mails verschickt, jeden Tag. Wir müssen reden - und wir müssen das Kind beim Namen nennen.
Das Internet ist nicht böse und aktiv kein Umweltverschmutzer sondern die Art und Weise, wie's genutzt wird. Ursprünglich war's Internet deutlich sparsamer, als Websites noch sparsam waren und Werbung sich auf GIF-Animationen beschränkt haben. Downloads waren klein und schlank, auf Youtube waren Videos eher auf 360p beschränkt, heute muss es schon HD oder besser noch 4k sein. Same auch für Streamer. Wir nutzen das Internet stärker als früher und wir nutzen es mit immer leistungshungrigen Angeboten. Schon der Sprung von 360p auf 720p vervierfacht die nötige Leistung.
Aber sind wir ehrlich: wollen wir wieder matschpixelige Videos sehen? Schon 720p sieht eher unansehnlich aus, 1440p mit kristallklarem Sound ist der Stand dieser Tage. Würden wir wirklich teuer Abogeld zahlen für Netflix & co für matschige Videos? Eher nicht. Und auch Stadia & co, die neuen Game-Streaming-Angebote sind ausgesprochen hungrig. Selbst wenn der Kalkulus aufgehen sollte und clientseitig nun ein sparsamer Rechner stehen kann statt ein leistungshungriger Gaming-PC, so fressen Internetinfrastruktur und die PCs in den Zentren von Google, Nvidia, Amazon & co den Vorteil wieder auf. Und der Traffic verschiebt sich weiter Richtung "Streaming". Mit geringeren Auflösungen als 1440p will auch niemand spielen.
Streaming frisst ordentlich Ressourcen. Mehr als das lineare Fernsehen - wobei die Betreiber ebenfalls Streamingangebote im Netz haben. Streaming IST das neue Fernsehen für die Masse und mEn auch das bessere Angebot an sich. Denn, jedenfalls theoretisch, jeder ist Programmdirektor und kann selbst entscheiden, was er sehen will. Passive Rezipienten sterben aus, die aktuelle Generation will, so die nötige Bildung und das Interesse vorausgesetzt, nicht dem "intellektuellen Minimalbrei" einfach nicht konsumieren, der sich da als "Reality TV" breitgemacht hat. Fernsehen war ja den größten Teil seiner Zeit eher wenig intellektuell anspruchsvoll, jetzt wird aber jährlich Niveaulimbo gespielt.
Unter der Prämisse verschwinden vielleicht wieder die "Müllformate" und es werden Ressourcen gespart. Vielleicht.
Aber um zum Whataboutism zu kommen: wie hoch ist eigentlich der CO2-Abdruck des Internets inkl. Streaming relativ zum Gesamtabdruck der Menschheit? Ich meine mal eine Zahl im Bereich 3,5 - 4% gelesen zu haben. Wir reden also von einem Fünfundzwanzigstel Anteil. Das ist nicht sooo viel. Aber natürlich könne man den um die Hälfte reduzieren, wenn man das Streaming zurückfährt. Immerhin entspricht das dann etwa dem CO2-Abdruck Deutschlands in der Welt. Die Frage ist nur: wer will das? Wer will auf's Streaming verzichten?
Was sind eigentlich die anderen 96% CO2-Emissionen? Ja, da ist der PKW-Verkehr mit drin. Der Flugverkehr auch. Hat der Lockdown eigentlich einen spürbaren Einfluss auf die CO2-Emissionen, jetzt da 90% aller Flüge am Boden bleiben? Theoretisch müsste doch ein gewaltiger Brocken CO2-Emissionen gestrichen worden sein, ein am Boden stehendes Flugzeug emittiert ja nichts. Wie sieht's aus mit dem Schwerlastverkehr, welcher Eintrag wird durch den Schiffsverkehr verursacht? Die von uns forcierte Globalisierung ist ja alles andere als umwelt- und klimafreundlich und dürfte den Löwenanteil CO2 verursachen, direkt wie indirekt. Warum nicht einfach jedes zweite Superfrachtschiff stilllegen? Das hat vermutlich mehr Einfluss auf's Klima als wenn kein einziger PKW mehr führe und kein einziger Streamingfilm mehr liefe. Warum nicht mal über die Globalisierung sprechen?
Warum nicht auch über unseren Konsumismus (nicht verwechseln mit Kommunismus) reden, die Wegwerfgesellschaft, die Werbeindustrie usw usf? Wieviel Einsparungspotential steckt eigentlich drin im Kapitalismus, der von einer möglichst schnellen Vernutzung knapper Ressourcen lebt?
Whataboutism. Aber auch darüber muss man sprechen, wenn man's mit der CO2-Reduktion ernst meint. Tut man's nicht, lügt man sich wahlweise selbst in die Tasche oder WILL täuschen.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (08.06.2020 09:45).