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mehr als 1000 Beiträge seit 16.06.2000

Na gut, Herr Schwierkus, gehen wir mal Ihre 5 Thesen durch...

These 1 : Gesunder Menschenverstand kontra wissenschaftliche Verantwortung

Für die meisten Menschen, die auf Basis ihrer Ausbildung, oder auch mithilfe eines gesunden Menschenverstandes, mit der wissenschaftlichen Methode, sowie Fragen der Wissenschaftsphilosophie – was Wissenschaft eigentlich auf welche Weise leisten kann und soll 1 –, in Kontakt gekommen sind, stellen die letzten Jahre westlicher Entwicklung eine Tortur dar.

Also zunächst gibt es mal keinen "gesunden Menschenverstand" - der Menschenverstand unterliegt evolutionärer Entwicklung wie alles, und ist daher am ehesten vergleichbar mit einer optimierten Ansammlung von Inselbegabungen mit großen Lücken dazwischen. Wissenschaft soll dem relativ lückenhaften Menschenverstand helfen, mit diesen Lücken umzugehen, damit er überleben kann - kurz zusammengefasst. Und dafür verwendet man wissenschaftliche Methoden: das heißt, wenn alle die Erkenntnis/das Experiment nachvollziehen können oder möglichst viele und diese gleichermaßen die Lücken damit füllen können, dann ist man der Wahrheit näher gekommen.

These 2 : Die Nationalsozialisten unter Hitler bezogen sich auf Wissenschaft

Abgesehen von der Tatsache, dass Hayeks Werk zurecht als kontrovers gilt, ist es, neben einigen anderen starken Passagen, speziell das elfte Kapitel, "Das Ende der Wahrheit", das zu den stärksten dieses berüchtigten Buches zählt. In diesem widmet Hayek sich spezifisch der fragwürdigen Praxis, wohlgemerkt: vornehmlich im deutschen Faschismus unter Hitler, die Wissenschaft für politische Zwecke zu instrumentalisieren.

Hitler sowie der Nationalsozialismus hatte mit Wissenschaft nichts am Hut, nur mit völlig unsinnigen pseudoreligiösen Wahnvorstellungen - alle seine Auffassungen waren blanker Schwachsinn. Nur weil ein Haufen Gewalttäter und Mörder ihren Unsinn "Wissenschaft" nennen, heißt das ja nicht, dass es Wissenschaft ist.

These 3 : Das Handeln in der Corona-Pandemie war unwissenschaftlich

Das prägnanteste Beispiel der letzten Jahre stellt zweifellos die Coronapandemie dar. Wurde diesbezüglich bereits vor längerem die länderübergreifende politische Fabrikation eines vermeintlichen Konsenses herausgearbeitet, entblößt in Deutschland insbesondere die Veröffentlichung der RKI-Protokolle eine überaus fragwürdige "Beziehung zwischen Wissenschaft und Politik während der Pandemie".

Die RKI-Protokolle haben lediglich die privaten Meinungen von Nichtfachleuten herausgearbeitet, die da meinten ihr eigener Senf hätte eine größere wissenschaftliche Bedeutung - dem ist aber nicht so, daher ist dieser Leak nur ein hysterischer Sturm im Wasserglas der Verschwörungsfreunde - tut mir Leid, dass ich da so deutlich werden muss.

So eine Pandemie ist unglaublich gefährlich, weil man nicht trivial eine mathematische Metrik angeben kann. So eine Erregerausbreitung ist grundsätzlich exponentiell (liegt in der mathematischen Natur der Sache), und aus dem Grund hat die Evolution das Problem übrigens auch. Sicherlich mag man Allergie leichtfertig als überschießendes Immunsystem betrachten - das ignoriert aber, dass das Immunsystem gegen eine exponentielle Ausbreitung anregulieren muss, und wo man nur hobeln kann, fallen dann leider größere Spähne. Man muss sich auch als Biologe und Mediziner immer vergegenwärtigen, dass Allergien zwar eine Seite sind, das Immunsystem aber eine Reihe von tödlich bis extrem schwer verlaufenden Infektionen und Erregern erfolgreich bekämpft. Und uns fehlt auch der wissenschaftliche Stand, da eine schöne Statistik anzulegen, die uns zeigt, was da alles so abläuft. Wir sehen das dann bei Immunschwäche-Erkrankungen, was dem Patienten alles zu Schaffen machen kann und ihn unter den Händen des Arztes ableben lässt, weil man keine entsprechende Medikation hat und nicht einmal wusste, dass bestimmte Erreger bei Immunschwäche ein Riesenproblem sind.

Man mag also leichtfertig urteilen, dass die politische Reaktion, geleitet von der Wissenschaft, eher eine Allergie war, aber die Geschichte lehrt uns, dass das eine sehr kurzsichtige und dumme Sichtweise ist. Wir haben genug historische Daten von extrem schwerwiegend verlaufenen Pandemien, die viele Menschenleben gekostet hat. Auch in China war man nicht umsonst so vorsichtig. Aber bitte, Ihre Meinung als Politikwissenschaftler sei Ihnen unbenommen, ist aber halt dann auch nur eine unreflektierte Meinung.

These 4 : Die ungeklärten Ursachen des Klimawandels und angeblich falsche Ansätze

Die komplexere Position, derzufolge Ursachen und vor allem Auswirkungen des Klimawandels final "ungeklärt" sein könnten, wird zugunsten dieser Agenda übergangen.

Das ist ein typisches Dilemma, wenn man vor einem Versuchsaufbau steht, der einem russischen Roulette ähnelt - letzteres charakterisiert sich dadurch, dass bei bestimmten Ereignissen der Tod des Spielers zu fast 100% wahrscheinlich ist. Diese "nebensächliche" und ähnliche Eskalationen im Versuchsverlauf sind leider von großer Bedeutung, weil das heißt, dass man sehr viel lieber solche Alternativen wählt, die nicht so tödlich sind. Beim Klimawandel bedeutet das: man reduziert sicherheitshalber zumindest mal genau die menschlichen Einflüsse, die einen zusätzlichen Temperaturanstieg bedingen.

Das ist ähnlich unspektakulär wie das Betätigen der Bremse im Auto, damit man den Wagen nicht zu Schrott fährt. Aber daran haben sich Menschen gewöhnt und empfinden es nicht als "unzulässige Freiheitseinschränkung oder gar Bevormundung durch die Physik", dass sie eben bremsen müssen.

These 5 : Russlands Angriffskrieg ist nachvollziehbar rational

Derartige Darstellungen ignorieren jedoch etwa Positionen westlicher Politikwissenschaft, denen zufolge das russische Vorgehen, obgleich es zweifellos aggressiv ist, einer nachvollziehbaren Rationalität folgt und problematische Verhaltensweisen westlicher Akteure, insbesondere seit Ende des Ersten Kalten Krieges, ebenfalls als Kausalfaktoren der erneuten Konfrontation zwischen West und Ost identifizierbar sind.

Bei Verbrechen betrachtet man in der Regel die Verhältnismäßigkeit: es mag einem Mörder ein plausibler Grund sein, aus persönlich-subjektiver Raffgier einen anderen Menschen umzubringen, aber es gilt aus gutem Grund als "niederer Beweggrund". Denn mit Geld kann man keine Menschenleben zurückkaufen, und hemmungslose Eigensucht beim Täter ist nichts, was eine Gesellschaft vertragen kann. Und rational ist solche Eigensucht beim Kreml auf keinen Fall.

MFG/Z

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