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Avatar von auf_der_hut
  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: Zur NATO

Wäre es nicht ein ziemlich starkes Stück gewesen, wenn Deutschland mit vollmundigen Versprechungen die Bündnisfreiheit Polens, Tschechiens usw. eingeschränkt hätte um sich seine Einheit von den Russen zu erkaufen? Ohne mit den betroffenen Ländern (zu dem Zeitpunkt noch im Warschauer Pakt) auch nur ein Wort darüber zu reden, also komplett über deren Kopf hinweg?

Aber mal angenommen, es habe dieses Versprechen tatsächlich gegeben:

Polen, Ungarn und die damals noch existierende Tschechoslowakei stellten 1991 ihr Beitrittsersuchen bei der NATO, wurden aber erst 8 (!) Jahre später aufgenommen. Die Nato verhandelte 5 lange Jahre, bis Russland mit der Russland - NATO Grundakte von 1997 seinen Widerstand aufgab und die Bündnisfreiheit der ehemaligen WP-Staaten ausdrücklich anerkannte. Damit waren etwaige Zusicherungen aus der frühen Phase der 2+4 Gespräche, also in einem völlig anderen geopolitischen Kontext, auf jeden Fall obsolet.

Putin gratulierte noch im April 2004 den den baltischen Staaten zur Aufnahme in die NATO und sagte bei diesem Anlass: "Hinsichtlich der Nato-Erweiterung haben wir keine Sorgen mit Blick auf die Sicherheit der Russischen Föderation."

Dieses Motiv des "gebrochenen Versprechens" taucht dann (erstmals?) in Putins Rede vor der Münchener Sicherheitskonferenz 2007 auf in Form eines Zitats von NATO-Generalsekretär Wörner von 1990 auf. Die 2+4 Gespräche erwähnt Putin gar nicht.

Hier tauchen (erstmals?) viele Elemente auf, die seither zu festen Bestandteilen von Putins Reden geworden sind, z.B. Russland als Gegenpol zu der unipolar von den USA dominierten Welt an der Seite Chinas und Indiens, der vertragsbrüchige Westen, der z.B. die OSZE ausnutzt, um Russland über den Tisch zu ziehen usw. usw.

Ich frage mich: Was ist zwischen 2004 und 2007 passiert, was hat diese 180-Grad Wende in Ton und Inhalt bewirkt? Nur mal kurz zur Einordnung, was alles nicht in Frage kommt: die Bombardierung Serbiens durch die NATO war 1999, der Angriff auf die Taliban in Afghanistan 2001, der Irakkrieg 2003.

Mein persönlicher Favorit: es war auch vor 20 Jahren schon die Ukraine, die den entscheidenden Umschwung auslöste. Im Herbst 2004 brachte die "Orangene Revolution" in Kiew zum ersten mal prowestliche Nationalisten an die Regierung. Damit rückte eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine in den Bereich des Möglichen, auch wenn das Bündnis es konsequent vermied, Präsident Juschtschenko konkrete Zusagen zu machen.

Aber vielleicht gibt es ja auch andere schlaue Ideen?

Es gab dann noch einmal einen Aufschub, weil es Russland gelang mit Janukowitsch wieder einen loyalen Statthalter in Kiew zu installieren. Aber als der von der nächsten "Farbenrevolution" 2014 erneut weggefegt wurde, gab Putin die Hoffnung auf eine russlandfreundliche Regierung in Kiew auf. Er entschied sich die russischen Interessen in der Ukraine fortan militärisch durchzusetzen und die unvermeidliche Konfrontation mit dem Westen in Kauf zu nehmen.

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