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  • ALomax

mehr als 1000 Beiträge seit 02.06.2014

Erklärt es leider nicht ganz

Sie haben es auch nicht mitbekommen, oder?
Die Zahlen sind deswegen so angestiegen, weil die Zahl der Tests massiv ausgeweitet wurde.

Das war die offizielle Erklärung in Schweden für den Umstand, dass die Zahlen bis Mitte Juni immer noch nicht fielen. Die Erklärung konnte auch eine gewisse Plausibilität beanspruchen, weil die Sterbezahlen gleichzeitig nicht mehr so schnell anwuchsen - und die Tests ja tatsächlich über die letzten Monate ausgeweitet wurden.

Der Übergang vom linearen in den exponentiellen Verlauf ist allerdings eine ganz neue Entwicklung, die ich rückblickend in Ansätzen erst seit Anfang Juni erkennen kann, deutlich ausgeprägt jedoch erst seit "Midsommar". Und in dieser Zeit gab es keine nennenswerte weitere Testausweitung.
Was die Erklärung mit den "mehr Tests" dann nur zu einer weiteren Erklärung der schwedischen Regierung werden lässt, die nach zwei Wochen von den realen Zahlen widerlegt wird.

Ansonsten, ja, derzeit sehen die Zahlen in Deutschland gut aus. Wenn man etwas unternehmen möchte, sollte man es vermutlich jetzt tun. Allerdings sieht es gut aus, weil wir den exponentiellen Verlauf durch den Lockdown gestoppt haben, und die Lage bleibt fragil.
Und, nein, Corona ist nicht mit einer normalen Grippe vergleichbar. Wenn wir Glück haben, wird sie das im Herbst sein, wenn bis dahin tatsächlich brauchbare Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen. Die zumindest 45-fache Übersterblichkeit gegenüber der "normalen" Grippe, die sich aus den bisherigen Lethalitätszahlen ergibt, haben wir sicher nicht - dass es eine hohe Dunkelziffer gibt, ist schon klar.
Aber die günstigsten Prognosen bei 90 % Dunkelziffer landen halt immer noch bei einer 5-fachen Sterblichkeit gegenüber der Grippe, und die realisitischen Prognosen gehen eher von 10-facher Lethalität aus. Und was die "Grippe-Anhänger" gerne vergessen: Der Vergleichswert sind die schwersten Grippejahre und nicht die "durchschnittliche Grippe" - also Sterblichkeitszahlen, die selbst schon wieder um fast das Zehnfache über den leichten Grippejahren liegen. Verglichen mit der "Durchschnittsgrippe" landen wir also auf jeden Fall bei mindestens 10-facher Sterblichkeit, selbst wenn die größten Optimisten recht behalten.
Aber eigentlich entscheidend sind zwei weitere Faktoren. Zum einen die erheblich höhere Hospitalisationsquote bei erheblich erhöhter Verlaufsdauer, was selbst gut aufgestellte Gesundheitssysteme schnell an ihre Grenze bringen kann. Und bei "normaler" Grippe gibt es eine Grundimmunität in der Bevölkerung - nicht nur durch Impfung, sondern vor allem deswegen, weil so ziemlich jeder mit zumindest jedem grundlegenden Virenstamm schon mal Kontakt hatte. Das senkt die maximalen Fallzahlen einer Grippewelle gegenüber Corona erheblich, so dass man bei der Kalkulation der Opferzahlen nicht nur die Lethalität vergleichen darf, sondern auch bedenken muss, dass die Anzahl der Erkrankten bei unkontrollierten Verlauf zumindest doppelt so hoch, vermutlich eher viermal so hoch wie bei einer normalen Grippewelle ausfallen dürfte - was also selbst bei "nur" fünffacher Sterblichkeit gegenüber der schlimmstmöglichen Grippewelle immer noch die zehn- bis zwanzigfachen Opferzahlen bedeuten würde, wenn man die Ausbreitung nicht künstlich eindämmen kann.

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