Um das Bild mit dem Kapitän aufzugreifen: Es muss ihn geben, zumindest klare Entscheidungen darüber, welchen Kurs das Schiff nehmen soll. Was eine Demokratie von totalitären Staatsformen unterscheidet, ist: Der Kapitän wird auf Zeit gewählt und steht unter ständiger Beobachtung und Kontrolle. Die Crew auch.
Wie das organisiert wird - ob als "Parteiendemokratie" oder sonstwie - ist erstmal weniger wichtig. Dass es aber irgendwie organisiert werden muss und dass irgendwo die Macht sein muss, damit sich das Schiff überhaupt mal bewegt, ist auch irgendwie klar.
Demokratie bedeutet Diskurs, damit automatisch auch Wettbewerb. Bei direkter Demokratie, wo eine Volksabstimmung den Kurs des Schiffes maßgeblich beeinflussen kann, würde der Wettbewerb vermutlich sogar noch extremer ausfallen.
Dem Autor würde ich darin recht geben, dass wirklich so einiges falsch läuft, und auch, dass das was mit dem Kapitalismus zu tun hat. Die Zusammenhänge stellen sich mir aber anders dar: Die Wohlstandsmaschine Kapitalismus hat die Menschen ziemlich träge gemacht. Wenn es ein Motto gibt, das man dem Kapitalismus nach seinem Ableben auf den Grabstein schreiben könnte, dann ist es ein Werbespruch von Kodak aus den 60ern: "Sie drücken auf den Knopf - wir erledigen den Rest!".
Schauen wir uns mal ein Beispiel für etwas, das in unseren Tagen wirklich schiefläuft, genauer an: Der ADAC hat zusammen mit IT-Experten herausgefunden, was Autos mittlerweile an ihre Hersteller senden. Das Ergebnis ist: Wer ein modernes Auto kauft, wird lückenloser überwacht als jedes Versuchstier.
Der Skandal ist für mich nicht, dass die IT-Industrie ihre Nutzer ausspioniert. Sondern dass die Nutzer das mit sich machen lassen, seit 20 Jahren. Alle wissen, wie's läuft. Doch niemand will auf "Apps" verzichten.
Wie nur kann man über Defizite eines politischen Systems lamentieren, wenn die Menschen, die in ihm leben, derart auf ihre Grundrechte scheißen?