Erst einmal danke für den konstruktiven und lehrsamen Austausch. Einen wichtigen Faktor übersehen Sie meiner Meinung nach aber:
Mathematiker schrieb am 05.02.2022 23:58:
Die Staatsanleihen haben damit nichts zu tun. Dort orientiert sich der Zinssatz eigentlich nur daran, wie gut der Staat seine Anleihe am Markt plazieren kann.
Ist das Kreditausfallrisiko gering, so ist der Zins niedrig.[…]
Ansonsten waren ihre Ausführungen schon korrekt.
Insbesondere der lustige Umstand, dass wir die Akteure über die Vorschriften zwingen, unserem Staat Kredite zu geben.
An einem wirklich freien Markt wäre das so: Je höher die Bonität des Schuldners (hier: Landes), desto niedriger der Zins; niedrigere Bonität und damit höheres Risiko würden umgekehrt mit höheren Zinsen bezahlt. Ansonsten gäbe es für die Gläubiger (i.d.R. Banken, Stiftungen, Fonds oder Privatpersonen) keinen rationalen Grund, Anleihen niedriger Bonität mit niedrigen Zinsen zu kaufen.
Dass es für bestimmte Institutionen gesetzliche Vorschriften gibt, einen Teil ihres Kapitalstocks mit als sicher geltenden Staatsanleihen zu decken und durch diese Gesetzgeber die Nachfrage an solchen Papieren zum Teil künstlich erzeugen (bzw. erzwingen), sind wir uns einig.
Jetzt fehlen aber noch die Aufkaufprogramme für Staatsanleihen seit der Finanzkrise 2007/2008, die in Reaktion auf die Coronapandemie noch einmal deutlich ausgeweitet wurden: Die Zentralbanken dürfen ja eigentlich selbst keine Staatsanleihen kaufen, denn das wäre eine verbotene Staatsfinanzierung; die Staaten sollen sich nicht nach belieben Geld drucken können, weil das die Währungsstabilität gefährdet (historische Beispiele zuhauf). Währungsstabilität ist aber das Hauptziel der Zentralbanken.
Die Konstruktion ist jetzt wie folgt: Statt der Zentralbanken, die das nicht dürfen, kaufen die Privatbanken die Staatsanleihen am "freien" Markt. Darüber wird behauptet, dass die Banken ja nur sichere Anleihen und keine Schrottpapiere kaufen würden. Diese Staatsanleihen werden dann an die Zentralbanken weitergegeben, wofür die Privatbanken im Gegenzug Geld bekommen, das sie – unter Bedingungen niedriger Leitzinsen – günstig an die Privatwirtschaft verleihen können.
Meiner Erinnerung nach sind die Regeln zurzeit, dass eine Bank für jeden Euro Kapitalstock fünf oder gar zehn Euro an Krediten vergeben kann. Das ist das künstlich erzeuge "Fiatgeld", von dem man so oft liest. Und das soll wiederum die Wirtschaft am Laufen halten.
Das heißt, die Privatbanken wissen genau, dass sie, wegen der Anleihekaufprogramme der Zentralbanken, die Staatsanleihen weiterverkaufen können. Wenn jetzt gleichzeitig die Aufkaufprogramme eingedämmt und die Leitzinsen erhöht werden, steigen sowohl die Zinsen für die Staatsanleihen als auch für die Unternehmenskredite – somit wird Schuldenmachen für alle Akteure teurer. Und das verängstigt viele Investoren von Wachstumsunternehmen, die auf billiges Geld angewiesen sind.
Die Folgen sind im Artikel beschrieben.