Arbeitslosigkeit und Globalisierung
„Arbeitslosigkeit! Menschen können nicht Arbeit finden! Sie muß aber
da sein. Denn die Menschen sind da. Und es kann im gesunden sozialen
Organismus die Arbeit, die nicht getan werden kann, nicht eine
überflüssige sein, sondern sie muß irgendwo fehlen. Soviel
Arbeitslosigkeit, soviel Mangel.“ So Rudolf Steiner am 9.Oktober 1921
in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Das Goetheanum“. (1)
Globalisierungsexperten erwarten weltweit 80% Arbeitslose im Jahr
2010. (2)
Ist uns eigentlich schon klar, welche Entwicklungen sich derzeit auf
der Welt abspielen?
Ist es uns eigentlich klar, was die Tatsache bedeutet, auf die die
Mitarbeiter der Globalisierungs-kritischen Organisation ATTAC
hinweisen, dass in den letzten Jahrzehnten die Entwicklung
dahingehend gelaufen ist, dass die Wirtschaft nicht mehr für den
Menschen da ist, sondern inzwischen der Mensch für die Wirtschaft?
Will ein Betrieb heute überleben, muß er Kosten einsparen. Der eine
große Kostenfaktor sind die Lohnkosten. Diese müssen minimiert
werden. Das bedeutet, dass der Abbau von Arbeitsplätzen nach der
herrschenden kapitalistischen Wirtschaftsphilosophie integraler
Bestandteil der Unternehmensstrategie ist.
Der zweite große Kostenfaktor sind die übrigen Produktionskosten.
Deshalb arbeitet der Betrieb am wirtschaftlichsten, der möglichst die
Herstellungskosten minimiert, die Einnahmen jedoch maximiert, das
bedeutet, dass er möglichst billigen Schund zu möglichst hohem Preis
verkaufen muß.
Auf 2 Seiten stehen die Opfer: die Arbeitnehmer auf der einen Seite
und die Kunden auf der anderen.
Der amerikanische Kulturkritiker Theodore Roszak bereitete schon 1978
in seinem Buch „Person/Planet“ das täglich von ihm erlebte Szenario
vor uns aus:
„Jeden Tag denke ich daran, wenn ich durch eine scheußliche
Industrielandschaft zur Arbeit fahre, vorbei an Schloten und
Abwässerkanälen, die das Wasser der San Francisco Bay und den Himmel
darüber verschmutzen. In all diesen Gebäuden arbeiten die Menschen
hart für ihren Lebensunterhalt. Irgendwo geht aus ihrem Tun und
Treiben auch das hervor, was ich für mein tägliches Leben brauche.
Aber wo? Man muß schon ganz genau hinsehen, denn das Wesentliche
ihrer Arbeit wird vom Überflüssigen ganz verdeckt.
Ich fahre an einer Fabrik vorbei, in der Hunderte von Männer und
Frauen beschäftigt sind. Aus den Abwasserrohren breitet sich ein
öliger Film über das Wasser der Bay aus. Was wird da hergestellt:
Hundefutter: chemisch haltbar gemachter Abfall in teuren Dosen.
Daneben ein anderer Betrieb; hier werden Lippenstifte und Lidschatten
verpackt. Weiter unten ein Warenhaus voller Sportartikel,
Klimaanlagen Motormäher … und dahinter weite Flächen mit nichts als
Wohnmobilen und allerlei Freizeitvehikeln.
Ein it zwei Männern besetzter Lastwagen donnert an mir vorbei, ein
kostspieliges Maschinenmonstrum, das eine Wolke teurer Abgase hinter
sich herzieht. Wohin fahren sie? Sie liefern eine Ladung Kleenex nach
Denver und kommen dann mit zwei Tonnen Napfkuchen wieder zurück.
Wer sind all die Leute. Die links und rechts von mir fahren – einer
pro Wagen – und an diesem Morgen Tausende von Hektolitern Benzin
verfeuern, um pünktlich in der Arbeit zu sein? Sekretärinnen von
Reklamefirmen, die Millionen Dollars aufwenden, um uns parfümiertes
Badeöl in eleganten Flaschen zu verkaufen … Fließbandarbeiter, die
heute den ganzen Tag kleine Schrauben in den meistgekauften
Vier-Stufen-Haartrockner der Welt hineindrehen werden … der für eine
Million Dollars verantwortliche Vize-Verkaufsdirektor eines
Rüstungs-Zulieferbetriebs, der kleine Plastikteile produziert, die in
eine hermetisch versiegelte Einheit eingebaut werden, die das
Herzstück einer Maschine bildet, die die gedruckten Schaltungen eines
Leitsystems presst, mit dem eine Rakete eine Stadt in Flammen
aufgehen lassen kann.
Und ich mitten unter ihnen, mit ebensoviel Spritverbrauch wie sie, um
an der Universität die Geschichte der Tudor und Stuart an Studenten
zu vermitteln, die mit viel Glück vielleicht einmal
Vize-Verkaufsdirektor werden, damit sie das Geld verdienen können,
das sie für Hundefutter, Haartrockner und Freizeitausrüstung
brauchen.
Ein Morgen eines Tages auf einer Einfallstraße einer Stadt … wie
lange sind wir für die Erde tragbar?“ (3)
Nun geben die Politiker vor, die Arbeitslosigkeit abbauen bzw.
beseitigen zu wollen. Wie das, eben auf der Basis der herrschenden
Wirtschaftsphilosophie geschehen kann, ist nicht zu erkennen. Es wird
nur dann geschehen können, wenn diese Philosophie sich ändert.
Zur Zeit glaubt man in Brüssel und Genf, die mit einer immer
stärkeren Regulierung erreichen zu können, die bei uns als
Arbeitnehmer in den verschiedensten Lebensbereichen unter anderem als
ISO-Normen unter dem Zeichen sogenannter „Qualitätssicherung“ bzw.
„Qualitätsentwicklung“ ankommt und in vielen Bereichen des Lebens
schon das sozialer Leben behindert oder zerstört hat.
In keiner einzigen dieser Qualitätskontrollen handelt es sich in
Wahrheit um Sicherung von Qualität, denn diese lässt sich nicht
sichern. Was gesichert werden soll und teilweise vielleicht gesichert
werden kann, das ist Quantität. Die Begriffsverwirrung, die von
leitenden wirtschaftlichen und politischen Kreisen ausgeht, raubt
mehr und mehr den wirklichen Qualitätsbegriff. Quantität ist, was man
messen, zählen und wiegen kann. Qualität lässt sich nicht messen,
zählen und wiegen. So einfach ist das.
Überall dort, wo der falsche Qualitätsbegriff, der eigentlich ein
Quantitätsbegriff ist, in das soziale Leben einfließt, zerstört er
Strukturen. Ich kann nur raten, überall dort zu protestieren, wo dies
geschieht. Es wird ansonsten langer Zeiträume und schmerzvoller
Einsichten bedürfen, diese Strukturen wieder herzustellen.
Die sogenannte „Qualitätssicherung“ ist nichts anderes als eine
Ausgeburt des Misstrauens dem einzelnen Menschen gegenüber.
Überall auf der Welt regt sich in letzter Zeit der Widerstand gegen
diese Entwicklungen. Auf 2 Bücher, die aus ganz unterschiedlichen
Ansätzen heraus die verschiedenen Entwicklungen der
wirtschafts-globalisierten Welt beleuchten, möchte ich hier zum
Abschluß empfehlen: Maria Mies: Globalisierung von unten. Der Kampf
gegen die Herrschaft der Konzerne. (Berlin 2001) und: Arundhati Roy:
Die Politik der Macht. (München 2002).
Das oben erwähnte globalisierungskritische Netzwerk ATTAC hat sich
unter anderem zum Ziel gesetzt, den sozialen Analphabetismus zu
bekämpfen. Die beiden erwähnten Bücher, aber auch die andere erwähnte
Literatur ist dazu bestens geeignet. (4)
Eine qualitativ hochwertige Betrachtung des Problems der
Arbeitslosigkeit, die alles von Politikern in den letzten Jahren
gehörten Ausführungen mit wenigen Worten geradezu entlarvt, stammt
ebenfalls von Theodore Roszak aus seinen schon erwähnten Buch:
"Wenn ich höre, wie Politiker und Gewerkschafter darüber reden, `den
Menschen Arbeit zu geben´ frage ich mich, ob Ihnen klar ist, wie
erbärmlich wenig damit erreicht wäre. Was bedeutet
`Vollbeschäftigung´ für Menschen (...), deren tägliche Arbeit nur
Demütigung und Quälerei ist? Genügt es immer noch, einfach zu zählen,
wie viele Menschen Arbeit haben - ohne danach zu fragen, ob sie auf
ihre Arbeit auch stolz sein können? Wann werden wir wohl anfangen,
nicht mehr nur quantitativ nach den Beschäftigungsverhältnissen zu
fragen, sondern auch qualitativ? Anders gefragt, wann werden wir
anfangen, Menschen nicht mehr als statistische Einheiten zu
betrachten, sondern als Personen?" (5)
Arfst Wagner
„Arbeitslosigkeit! Menschen können nicht Arbeit finden! Sie muß aber
da sein. Denn die Menschen sind da. Und es kann im gesunden sozialen
Organismus die Arbeit, die nicht getan werden kann, nicht eine
überflüssige sein, sondern sie muß irgendwo fehlen. Soviel
Arbeitslosigkeit, soviel Mangel.“ So Rudolf Steiner am 9.Oktober 1921
in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Das Goetheanum“. (1)
Globalisierungsexperten erwarten weltweit 80% Arbeitslose im Jahr
2010. (2)
Ist uns eigentlich schon klar, welche Entwicklungen sich derzeit auf
der Welt abspielen?
Ist es uns eigentlich klar, was die Tatsache bedeutet, auf die die
Mitarbeiter der Globalisierungs-kritischen Organisation ATTAC
hinweisen, dass in den letzten Jahrzehnten die Entwicklung
dahingehend gelaufen ist, dass die Wirtschaft nicht mehr für den
Menschen da ist, sondern inzwischen der Mensch für die Wirtschaft?
Will ein Betrieb heute überleben, muß er Kosten einsparen. Der eine
große Kostenfaktor sind die Lohnkosten. Diese müssen minimiert
werden. Das bedeutet, dass der Abbau von Arbeitsplätzen nach der
herrschenden kapitalistischen Wirtschaftsphilosophie integraler
Bestandteil der Unternehmensstrategie ist.
Der zweite große Kostenfaktor sind die übrigen Produktionskosten.
Deshalb arbeitet der Betrieb am wirtschaftlichsten, der möglichst die
Herstellungskosten minimiert, die Einnahmen jedoch maximiert, das
bedeutet, dass er möglichst billigen Schund zu möglichst hohem Preis
verkaufen muß.
Auf 2 Seiten stehen die Opfer: die Arbeitnehmer auf der einen Seite
und die Kunden auf der anderen.
Der amerikanische Kulturkritiker Theodore Roszak bereitete schon 1978
in seinem Buch „Person/Planet“ das täglich von ihm erlebte Szenario
vor uns aus:
„Jeden Tag denke ich daran, wenn ich durch eine scheußliche
Industrielandschaft zur Arbeit fahre, vorbei an Schloten und
Abwässerkanälen, die das Wasser der San Francisco Bay und den Himmel
darüber verschmutzen. In all diesen Gebäuden arbeiten die Menschen
hart für ihren Lebensunterhalt. Irgendwo geht aus ihrem Tun und
Treiben auch das hervor, was ich für mein tägliches Leben brauche.
Aber wo? Man muß schon ganz genau hinsehen, denn das Wesentliche
ihrer Arbeit wird vom Überflüssigen ganz verdeckt.
Ich fahre an einer Fabrik vorbei, in der Hunderte von Männer und
Frauen beschäftigt sind. Aus den Abwasserrohren breitet sich ein
öliger Film über das Wasser der Bay aus. Was wird da hergestellt:
Hundefutter: chemisch haltbar gemachter Abfall in teuren Dosen.
Daneben ein anderer Betrieb; hier werden Lippenstifte und Lidschatten
verpackt. Weiter unten ein Warenhaus voller Sportartikel,
Klimaanlagen Motormäher … und dahinter weite Flächen mit nichts als
Wohnmobilen und allerlei Freizeitvehikeln.
Ein it zwei Männern besetzter Lastwagen donnert an mir vorbei, ein
kostspieliges Maschinenmonstrum, das eine Wolke teurer Abgase hinter
sich herzieht. Wohin fahren sie? Sie liefern eine Ladung Kleenex nach
Denver und kommen dann mit zwei Tonnen Napfkuchen wieder zurück.
Wer sind all die Leute. Die links und rechts von mir fahren – einer
pro Wagen – und an diesem Morgen Tausende von Hektolitern Benzin
verfeuern, um pünktlich in der Arbeit zu sein? Sekretärinnen von
Reklamefirmen, die Millionen Dollars aufwenden, um uns parfümiertes
Badeöl in eleganten Flaschen zu verkaufen … Fließbandarbeiter, die
heute den ganzen Tag kleine Schrauben in den meistgekauften
Vier-Stufen-Haartrockner der Welt hineindrehen werden … der für eine
Million Dollars verantwortliche Vize-Verkaufsdirektor eines
Rüstungs-Zulieferbetriebs, der kleine Plastikteile produziert, die in
eine hermetisch versiegelte Einheit eingebaut werden, die das
Herzstück einer Maschine bildet, die die gedruckten Schaltungen eines
Leitsystems presst, mit dem eine Rakete eine Stadt in Flammen
aufgehen lassen kann.
Und ich mitten unter ihnen, mit ebensoviel Spritverbrauch wie sie, um
an der Universität die Geschichte der Tudor und Stuart an Studenten
zu vermitteln, die mit viel Glück vielleicht einmal
Vize-Verkaufsdirektor werden, damit sie das Geld verdienen können,
das sie für Hundefutter, Haartrockner und Freizeitausrüstung
brauchen.
Ein Morgen eines Tages auf einer Einfallstraße einer Stadt … wie
lange sind wir für die Erde tragbar?“ (3)
Nun geben die Politiker vor, die Arbeitslosigkeit abbauen bzw.
beseitigen zu wollen. Wie das, eben auf der Basis der herrschenden
Wirtschaftsphilosophie geschehen kann, ist nicht zu erkennen. Es wird
nur dann geschehen können, wenn diese Philosophie sich ändert.
Zur Zeit glaubt man in Brüssel und Genf, die mit einer immer
stärkeren Regulierung erreichen zu können, die bei uns als
Arbeitnehmer in den verschiedensten Lebensbereichen unter anderem als
ISO-Normen unter dem Zeichen sogenannter „Qualitätssicherung“ bzw.
„Qualitätsentwicklung“ ankommt und in vielen Bereichen des Lebens
schon das sozialer Leben behindert oder zerstört hat.
In keiner einzigen dieser Qualitätskontrollen handelt es sich in
Wahrheit um Sicherung von Qualität, denn diese lässt sich nicht
sichern. Was gesichert werden soll und teilweise vielleicht gesichert
werden kann, das ist Quantität. Die Begriffsverwirrung, die von
leitenden wirtschaftlichen und politischen Kreisen ausgeht, raubt
mehr und mehr den wirklichen Qualitätsbegriff. Quantität ist, was man
messen, zählen und wiegen kann. Qualität lässt sich nicht messen,
zählen und wiegen. So einfach ist das.
Überall dort, wo der falsche Qualitätsbegriff, der eigentlich ein
Quantitätsbegriff ist, in das soziale Leben einfließt, zerstört er
Strukturen. Ich kann nur raten, überall dort zu protestieren, wo dies
geschieht. Es wird ansonsten langer Zeiträume und schmerzvoller
Einsichten bedürfen, diese Strukturen wieder herzustellen.
Die sogenannte „Qualitätssicherung“ ist nichts anderes als eine
Ausgeburt des Misstrauens dem einzelnen Menschen gegenüber.
Überall auf der Welt regt sich in letzter Zeit der Widerstand gegen
diese Entwicklungen. Auf 2 Bücher, die aus ganz unterschiedlichen
Ansätzen heraus die verschiedenen Entwicklungen der
wirtschafts-globalisierten Welt beleuchten, möchte ich hier zum
Abschluß empfehlen: Maria Mies: Globalisierung von unten. Der Kampf
gegen die Herrschaft der Konzerne. (Berlin 2001) und: Arundhati Roy:
Die Politik der Macht. (München 2002).
Das oben erwähnte globalisierungskritische Netzwerk ATTAC hat sich
unter anderem zum Ziel gesetzt, den sozialen Analphabetismus zu
bekämpfen. Die beiden erwähnten Bücher, aber auch die andere erwähnte
Literatur ist dazu bestens geeignet. (4)
Eine qualitativ hochwertige Betrachtung des Problems der
Arbeitslosigkeit, die alles von Politikern in den letzten Jahren
gehörten Ausführungen mit wenigen Worten geradezu entlarvt, stammt
ebenfalls von Theodore Roszak aus seinen schon erwähnten Buch:
"Wenn ich höre, wie Politiker und Gewerkschafter darüber reden, `den
Menschen Arbeit zu geben´ frage ich mich, ob Ihnen klar ist, wie
erbärmlich wenig damit erreicht wäre. Was bedeutet
`Vollbeschäftigung´ für Menschen (...), deren tägliche Arbeit nur
Demütigung und Quälerei ist? Genügt es immer noch, einfach zu zählen,
wie viele Menschen Arbeit haben - ohne danach zu fragen, ob sie auf
ihre Arbeit auch stolz sein können? Wann werden wir wohl anfangen,
nicht mehr nur quantitativ nach den Beschäftigungsverhältnissen zu
fragen, sondern auch qualitativ? Anders gefragt, wann werden wir
anfangen, Menschen nicht mehr als statistische Einheiten zu
betrachten, sondern als Personen?" (5)
Arfst Wagner