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1 Beitrag seit 16.06.2009

Bildungsstreik-Debatte: Man muss kein Linker sein

Dass in diesem Land die schweigende Mehrheit überwiegt ist schon
entsetzlich. Dass es Vereinigungen gibt, die sich das wohlklingende
Wort „demokratisch“ auf ihre Fahne schreiben und vor jenen warnen,
die ihre Rechte wahrnehmen, sie als „Krawallmacher“ und „Chaoten“
bezeichnen und grundsätzlich als „links“, wenn nicht sogar
„linksradikal“ einstufen, ist erschütternd – und gefährlich! Diese
Menschen scheinen vor lauter Angst vor demonstrierenden Schülern und
Studenten zu vergessen, was der Sinn des bundesweiten Bildungsstreiks
ist: Die Politik, und damit meine ich alle Menschen in diesem Land,
wachzurütteln! Was ist passiert, dass Bildung solch einen geringen
Stellenwert einnimmt? Das Potenzial, das in der richtigen Ausbildung
der Schüler und Studenten ruht (!), ist der Faktor, den wir selbst
bestimmten können. Die nationale Wirtschaft ist aus dem komplexen
weltweiten Netz nicht herauszulösen – aber die Bildung? Der Versuch,
Studiengänge durch die Einführung des BA/MA-Systems international
wettbewerbsfähig zu machen, hat sein Ziel gründlich verfehlt! Aber
vielleicht ist das ja gar kein „unbeabsichtigter Fehltritt“:
Menschen, die bereits in der Ausbildung darauf gedrillt werden,
Gehorsam und Höchstleistung zu erbringen, die mit Punkten belohnt
werden, fügen sich wunderbar in eine schweigende, funktions- und
leistungsgesteuerte Masse ein, die durch die Abgabe individueller
Freiheiten und Rechte unserer Wirtschaft wieder nach oben verhilft.
Man muss kein Anhänger der Linkspartei sein, um die massiven
Missstände in unserem Bildungssystem zu erkennen. Und man muss kein
Radikaler sein, um seine durch das Grundgesetz geschützten Rechte auf
freie Meinungsäußerung und das Versammlungs- und Streikrecht
wahrzunehmen. Ärgerlich ist, dass Schüler und Studenten es bundesweit
nicht schaffen, sich in ausreichend großen, parteilosen Vereinigungen
zu organisieren – und somit den Parteien in die, besonders während
des Wahlkampfes, weit geöffneten Arme laufen, die sich dann das
Engagement Protestierender auf ihre Fahnen schreiben. Ärgerlich ist
hier auch das geringe Engagement der Lehrkräfte: Mir läuft es eiskalt
den Rücken runter, wenn mir Schüler berichten, Lehrer hätten
versucht, sie in den Klassenzimmern einzusperren, um zu verhindern,
dass sie am Bildungsstreik teilnehmen. Zudem hätte es massive
Beleidigungen durch Lehrer gegeben, sowie Androhungen von
Schulverweisen. Die von den Schülern selbst gerufene Polizei nahm
angeblich lieber die Personalien der Schüler auf, als die der Lehrer.
Dieses sind Aussagen von Augenzeugen. Öffentliche Sprecher von
Behörden leugnen solche Vorfälle – um das zu wissen, muss man nicht
auf die morgige Presse warten. Wie dem auch sei, Unterstützung sucht
man fast vergeblich unter Lehrern und Dozenten. Dabei ist deren
Situation doch auch nicht besser.
Kritisches Denken ist Mangelware. Mancherorts sogar unerwünscht. Eine
demokratische Gesellschaft kann nur durch Engagement, Solidarität,
Respekt und stetes Hinterfragen existieren. Die Bildung verkümmert
und die Demokratie verwelkt durch die Beschneidung freiheitlicher
Rechte und unter der hitzigen Debatte ihrer Gegner.
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