also wiegesagt aus Spiegel Online
Warum Bush diesen Krieg führen muss
Getrieben von Versager-Komplexen, gestärkt vom fundamentalistischen
Gotteswahn: George Bush ist für den Psychoanalytiker und Theologen
Eugen Drewermann besessen davon, einen noch besseren Krieg als sein
Vater zu führen. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE seziert Deutschlands
umstrittenster Kirchenkritiker die Psyche des US-Präsidenten.
DDP
Eugen Drewermann
Eugen Drewermann, 63, ist der meistgelesene und umstrittenste
deutsche Theologe. Von 1979 bis 1991 lehrte er an der
katholisch-theologischen Fakultät in Paderborn Dogmatik. Dann wurde
ihm die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen. Ein Jahr später wurde er
vom Priesteramt suspendiert. Drewermann, der auch Psychoanalyse
studiert hat, hat mehr als 70 Bücher veröffentlicht und betreibt eine
psychoanalytische Praxis.
SPIEGEL ONLINE: Herr Drewermann, US-Präsident George W. Bush benutzt
oft religiöse Vokabeln: Er spricht von der Achse des "Bösen", vom
"Kreuzzug" gegen den Terror. Nach dem Absturz der Raumfähre
"Columbia" zitierte er den Propheten Jesaja, häufig schließt er Reden
mit der Formel: "Gott schütze Amerika". Ist Bush ein überzeugender
Christ?
Drewermann: Seine Rhetorik verrät sein Bemühen, die Öffentlichkeit
mit religiösen Vorstellungen von seiner Art der Machtausübung zu
überzeugen, insbesondere von den monumentalen Möglichkeiten eines
Kreuzzuges gegen das Böse.
SPIEGEL ONLINE: Welche Folgen hat die Einteilung der Menschheit in
Gut und Böse?
Drewermann: Eine solche bipolare Betrachtungsweise der Geschichte ist
ideologisch außerordentlich gefährlich und psychologisch geradezu
blind. Man bedient sich der Mythen des persischen Dualismus zur
Begründung einer absoluten Skrupellosigkeit. Merkt man denn nicht,
dass man alles, was man böse nennt, längst in die eigene Praxis
übernommen hat?
SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie etwa Saddam Hussein und George W. Bush
gleichsetzen?
Drewermann: Wer wie Bush gegen den Terrorismus kämpft, potenziert das
Unheil. Die Amerikaner sollten der Welt ein Beispiel geben für
effektive Abrüstung, und sie sollten die Unsummen von Geld, das sie
in den Krieg investieren, einsetzen zum Kampf gegen die Gründe des
Krieges. Die Amerikaner haben ihre Ausgaben zur Bekämpfung der Armut
in der Welt gerade auf 1,7 Milliarden Dollar reduziert. Das ist nicht
einmal so viel, wie sie in zwei Tagen fürs Militär ausgeben.
REUTERS
Bush: "Aura der Gotterwähltheit"
SPIEGEL ONLINE: Sie halten Bush offenbar eher für einen Verbrecher
als für einen Anhänger Jesus von Nazarets.
Drewermann: Wer aus dem Neuen Testament die Pflicht zum
Präventivkrieg herausliest, wer aus der Bergpredigt die Legitimation
nimmt, Hunderttausende Menschen mutwillig zu töten, hat entweder das
Christentum nicht verstanden, oder er entfernt sich mit
Siebenmeilenstiefeln davon. Man kann nicht über Leichen gehen, wenn
man den Weg Christi gehen will.
SPIEGEL ONLINE: Warum benutzt Bush dennoch religiöse Sprache?
Drewermann: Es geht darum, die Stimmen aus dem amerikanischen
Bibelgürtel zu gewinnen. Sie sind das religiöse Zünglein an der
Waage. Inzwischen ist es üblich, sich als Präsident mit der Aura der
Gotterwähltheit darzustellen. Damit verbunden ist die Stilisierung
der USA als "God's own country". Man lebt dort in dem Wahn, als große
Nation von Gott für die Lenkung der Weltgeschicke eine besondere
missionarische Berufung zu besitzen.
SPIEGEL ONLINE: Rührt daher die Intoleranz der amerikanischen
Regierung gegenüber der deutschen Haltung im Irak-Konflikt?
Drewermann: Bush verschiebt den religiösen Absolutheitsanspruch auf
machtpolitische, geostrategische und wirtschaftliche Ziele. Daher
seine Haltung: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. In diesen
Zusammenhang muss man die unglaubliche Hybris einordnen, mit der Bush
sich weigert, einem ihm nicht wie ein Hund nach dem Stöckchen
springenden Bundeskanzler auch nur die Hand zu geben. Über einen
derartig chauvinistischen, schein-religiös motivierten
Allseligkeitsanspruch kann man nur erschrecken.
SPIEGEL ONLINE: Ist diese Haltung der amerikanischen Regierung allein
auf Bush zurückzuführen?
Drewermann: In gewissem Sinne ist Bush Opfer einer Geisteshaltung,
die bei den Evangelikalen, den Rechten und den Fundamentalisten
christlicher Prägung außerordentlich tief geht. Darüber hinaus hat er
sich mit einer Ministerriege aus der Zeit des Golfkrieges seines
Vaters umgeben. Sein Vize Dick Cheney ist mit dem Öl-Ausrüster
Halliburton zum Großlieferant fürs Pentagon aufgestiegen, Colin
Powell erscheint zwar moderat, war aber in Wirklichkeit nie etwas
anderes, als der jeweiligen Macht untertan. Condoleezza Rice ist eine
absolut ehrgeizige Dame und predigt nichts als Krieg. Paul Wolfowitz
beglückt die Welt mit der Vorstellung, dass ein Krieg im Irak
weltweit Wohlstand, Demokratie und Menschenrechte bringen werde.
SPIEGEL ONLINE: Wenn fundamentalistische Positionen bei Bush
anschlagen, wie ist seine Psyche gestrickt?
Drewermann: Psychoanalytisch dürfen wir annehmen, dass sich die
religiöse Grundeinstellung nach den verinnerlichten Werten der Eltern
richtet. Bush senior hatte schon im ersten Krieg gegen den Irak 1991
gesagt, der Ausgang des Krieges könne nur der Sieg des Guten sein.
Dieser Sieg des Guten hat im Irak allein mehr als 200.000 Menschen
das Leben gekostet und Hunderttausende zu Krüppeln gemacht. Die
Embargopolitik hat mehr als eine Million Menschen in den Tod
gedrückt. Wie kann man das Wort "gut" auf eine derart grausame Weise
intonieren?
SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie allen Ernstes behaupten, Bushs
Irak-Politik sei eine Synthese aus Vaterkomplex und religiösem
Fundamentalismus?
Drewermann: Die religiöse Komponente kann sich mit der Beendigung
seiner Alkoholismus-Probleme verbunden haben. Alkoholiker
kompensieren schwere Minderwertigkeitskomplexe - Bush galt über Jahre
als der Versager der Familie - durch die Droge und durch Loyalität
und Jovialität. Trocken geworden, als Bekehrte sozusagen, strengen
sie sich dann an, die verinnerlichten Maßstäbe ihres Über-Ichs
perfekt zu erfüllen. Für George W. verschmelzen Gott und sein Vater
zu dem Auftrag, einen noch größeren und noch besseren Krieg zu führen
als der eigene Vater - mit dem Beistand des Vaters im Himmel. Das
alles ist eine Verzahnung aus individueller Neurose und
sozialpsychologischem Wahn: ein Überbietungssyndrom und eine
Weltbeglückungskomponente.
Lesen Sie im zweiten Teil, was Drewermann über den Irak sagt, und
warum er die USA für keine Demokratie hält
Warum Bush diesen Krieg führen muss
Getrieben von Versager-Komplexen, gestärkt vom fundamentalistischen
Gotteswahn: George Bush ist für den Psychoanalytiker und Theologen
Eugen Drewermann besessen davon, einen noch besseren Krieg als sein
Vater zu führen. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE seziert Deutschlands
umstrittenster Kirchenkritiker die Psyche des US-Präsidenten.
DDP
Eugen Drewermann
Eugen Drewermann, 63, ist der meistgelesene und umstrittenste
deutsche Theologe. Von 1979 bis 1991 lehrte er an der
katholisch-theologischen Fakultät in Paderborn Dogmatik. Dann wurde
ihm die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen. Ein Jahr später wurde er
vom Priesteramt suspendiert. Drewermann, der auch Psychoanalyse
studiert hat, hat mehr als 70 Bücher veröffentlicht und betreibt eine
psychoanalytische Praxis.
SPIEGEL ONLINE: Herr Drewermann, US-Präsident George W. Bush benutzt
oft religiöse Vokabeln: Er spricht von der Achse des "Bösen", vom
"Kreuzzug" gegen den Terror. Nach dem Absturz der Raumfähre
"Columbia" zitierte er den Propheten Jesaja, häufig schließt er Reden
mit der Formel: "Gott schütze Amerika". Ist Bush ein überzeugender
Christ?
Drewermann: Seine Rhetorik verrät sein Bemühen, die Öffentlichkeit
mit religiösen Vorstellungen von seiner Art der Machtausübung zu
überzeugen, insbesondere von den monumentalen Möglichkeiten eines
Kreuzzuges gegen das Böse.
SPIEGEL ONLINE: Welche Folgen hat die Einteilung der Menschheit in
Gut und Böse?
Drewermann: Eine solche bipolare Betrachtungsweise der Geschichte ist
ideologisch außerordentlich gefährlich und psychologisch geradezu
blind. Man bedient sich der Mythen des persischen Dualismus zur
Begründung einer absoluten Skrupellosigkeit. Merkt man denn nicht,
dass man alles, was man böse nennt, längst in die eigene Praxis
übernommen hat?
SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie etwa Saddam Hussein und George W. Bush
gleichsetzen?
Drewermann: Wer wie Bush gegen den Terrorismus kämpft, potenziert das
Unheil. Die Amerikaner sollten der Welt ein Beispiel geben für
effektive Abrüstung, und sie sollten die Unsummen von Geld, das sie
in den Krieg investieren, einsetzen zum Kampf gegen die Gründe des
Krieges. Die Amerikaner haben ihre Ausgaben zur Bekämpfung der Armut
in der Welt gerade auf 1,7 Milliarden Dollar reduziert. Das ist nicht
einmal so viel, wie sie in zwei Tagen fürs Militär ausgeben.
REUTERS
Bush: "Aura der Gotterwähltheit"
SPIEGEL ONLINE: Sie halten Bush offenbar eher für einen Verbrecher
als für einen Anhänger Jesus von Nazarets.
Drewermann: Wer aus dem Neuen Testament die Pflicht zum
Präventivkrieg herausliest, wer aus der Bergpredigt die Legitimation
nimmt, Hunderttausende Menschen mutwillig zu töten, hat entweder das
Christentum nicht verstanden, oder er entfernt sich mit
Siebenmeilenstiefeln davon. Man kann nicht über Leichen gehen, wenn
man den Weg Christi gehen will.
SPIEGEL ONLINE: Warum benutzt Bush dennoch religiöse Sprache?
Drewermann: Es geht darum, die Stimmen aus dem amerikanischen
Bibelgürtel zu gewinnen. Sie sind das religiöse Zünglein an der
Waage. Inzwischen ist es üblich, sich als Präsident mit der Aura der
Gotterwähltheit darzustellen. Damit verbunden ist die Stilisierung
der USA als "God's own country". Man lebt dort in dem Wahn, als große
Nation von Gott für die Lenkung der Weltgeschicke eine besondere
missionarische Berufung zu besitzen.
SPIEGEL ONLINE: Rührt daher die Intoleranz der amerikanischen
Regierung gegenüber der deutschen Haltung im Irak-Konflikt?
Drewermann: Bush verschiebt den religiösen Absolutheitsanspruch auf
machtpolitische, geostrategische und wirtschaftliche Ziele. Daher
seine Haltung: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. In diesen
Zusammenhang muss man die unglaubliche Hybris einordnen, mit der Bush
sich weigert, einem ihm nicht wie ein Hund nach dem Stöckchen
springenden Bundeskanzler auch nur die Hand zu geben. Über einen
derartig chauvinistischen, schein-religiös motivierten
Allseligkeitsanspruch kann man nur erschrecken.
SPIEGEL ONLINE: Ist diese Haltung der amerikanischen Regierung allein
auf Bush zurückzuführen?
Drewermann: In gewissem Sinne ist Bush Opfer einer Geisteshaltung,
die bei den Evangelikalen, den Rechten und den Fundamentalisten
christlicher Prägung außerordentlich tief geht. Darüber hinaus hat er
sich mit einer Ministerriege aus der Zeit des Golfkrieges seines
Vaters umgeben. Sein Vize Dick Cheney ist mit dem Öl-Ausrüster
Halliburton zum Großlieferant fürs Pentagon aufgestiegen, Colin
Powell erscheint zwar moderat, war aber in Wirklichkeit nie etwas
anderes, als der jeweiligen Macht untertan. Condoleezza Rice ist eine
absolut ehrgeizige Dame und predigt nichts als Krieg. Paul Wolfowitz
beglückt die Welt mit der Vorstellung, dass ein Krieg im Irak
weltweit Wohlstand, Demokratie und Menschenrechte bringen werde.
SPIEGEL ONLINE: Wenn fundamentalistische Positionen bei Bush
anschlagen, wie ist seine Psyche gestrickt?
Drewermann: Psychoanalytisch dürfen wir annehmen, dass sich die
religiöse Grundeinstellung nach den verinnerlichten Werten der Eltern
richtet. Bush senior hatte schon im ersten Krieg gegen den Irak 1991
gesagt, der Ausgang des Krieges könne nur der Sieg des Guten sein.
Dieser Sieg des Guten hat im Irak allein mehr als 200.000 Menschen
das Leben gekostet und Hunderttausende zu Krüppeln gemacht. Die
Embargopolitik hat mehr als eine Million Menschen in den Tod
gedrückt. Wie kann man das Wort "gut" auf eine derart grausame Weise
intonieren?
SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie allen Ernstes behaupten, Bushs
Irak-Politik sei eine Synthese aus Vaterkomplex und religiösem
Fundamentalismus?
Drewermann: Die religiöse Komponente kann sich mit der Beendigung
seiner Alkoholismus-Probleme verbunden haben. Alkoholiker
kompensieren schwere Minderwertigkeitskomplexe - Bush galt über Jahre
als der Versager der Familie - durch die Droge und durch Loyalität
und Jovialität. Trocken geworden, als Bekehrte sozusagen, strengen
sie sich dann an, die verinnerlichten Maßstäbe ihres Über-Ichs
perfekt zu erfüllen. Für George W. verschmelzen Gott und sein Vater
zu dem Auftrag, einen noch größeren und noch besseren Krieg zu führen
als der eigene Vater - mit dem Beistand des Vaters im Himmel. Das
alles ist eine Verzahnung aus individueller Neurose und
sozialpsychologischem Wahn: ein Überbietungssyndrom und eine
Weltbeglückungskomponente.
Lesen Sie im zweiten Teil, was Drewermann über den Irak sagt, und
warum er die USA für keine Demokratie hält