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  • Benjamin Studer

160 Beiträge seit 30.08.2010

Offener Brief an Radio Regenbogen zum Thema Todesstrafe Teil I / II

Das Folgende ist ein offener Brief, den ich an den Radiosender Radio
Regenbogen geschrieben habe. Dessen Darstellung der Diskussion über
Todesstrafe empfand ich als sehr unprofessionell und gefährlich. Mein
Brief hat im Grunde den Zweck, den Sender anzuregen sich Gedanken zu
machen, darüber, was seine Verantwortung ist, wenn er an einem
politischen Thema wie Todesstrafe Framing betreibt. Er hat aber auch
nicht zuletzt den Zweck, das Volk dazu aufzurufen, das alles als
Signal zu nehmen, genauer ins Auge zu nehmen, was momentan in der
Politik geschieht. Ich persönlich sehe die momentane Situation als
äußerst gefährlich an. Insbesondere hinsichtlich der Stimmung,
aufgrund von Angst, alle möglichen Methoden hinzunehmen, vor denen
wir eigentlich von allem am meisten Angst haben sollten. Hier der
offene Brief:

Sehr geehrtes Radio Regenbogen Team, 

auch ich habe in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag den 27. August
Ihren Sender gehört und habe die Unterredung über die Todesstrafe
mitverfolgt. Ich möchte gleich ehrlich sein: Allein die Form der
Thematisierung einer so menschenverachtender Sache wie der
Todesstrafe auf Ihrem Sender hat mich schockiert. Ich bin keineswegs
gegen konstruktive Diskussionen im Radio, ganz im Gegenteil. Es war
hier vielmehr der verharmlosende Rahmen, in den das Thema von Ihrem
Radiosender gestellt wurde, der mich empört hat. Ausgerechnet die
primitivsten, unredlichsten Argumente mancher Anrufer fanden von den
Moderatoren unermessliche Zustimmung. In einer spannenden Abstimmung
konnte man verfolgen, wie viele der, zumindest durchgekommenen
Anrufer für oder gegen diese Menschenverachtung sind. Ich frage mich,
ob Ihr Sender vielleicht deshalb Radio "Regenbogen" heißt, weil er
sich auf dem Niveau der Regenbogenpresse bewegen möchte, in der nicht
die Information, sondern die Sensation ausschlaggebend ist. Diese
praktiziert dennoch Meinungsmache mit ihren Sensationen und sorgt auf
lange Sicht für unzählige gesellschaftlichen Probleme. Möchten Sie
sich damit messen? Todesstrafe ist menschenverachtend und gefährlich.
Man braucht nicht religiös sein, um das zu sehen, keineswegs. Wenn
sie behandelt wird, dann muss das in einem Rahmen geschehen, der
weder sensationalisiert noch verharmlost. Ein Radiosender muss sich
dabei seiner Verantwortung als gesellschaftlich Meinungsprägendes
Medium bewusst sein. Ich möchte in diesem offenen Brief zu dem ganzen
Thema gerne Stellung nehmen. Ich hoffe, dass ich Sie und andere
dadurch zum Nachdenken anregen kann.

Ich sehe darin eine Vereinfachung. Die Todesstrafe unterstützenden
Individuen entziehen sich jeglicher Verantwortung. Sie machen es sich
einfach. Dabei schüren sie vermutlich zu einem großen Teil eine
blinde Rache. Rache gegenüber jenen Fällen, von denen sie in
Sensationsnachrichten gereizt wurden. Ein Aggressionsventil.
Moralisch betrachtet: Haben wir das Recht Ja oder Nein zu sagen, zu
dem Leben eines anderen Menschen? Aber: Moral hin oder her, ich will
versuchen dieses schwierig zu behandelnde Thema rational anzugehen.
Überspitzt betrachtet: man könnte jetzt behaupten, es hätte damals
einen gewissen Zweck erfüllt, Adolf Hitler zu töten. Versucht hatte
man derartige terroristische Anschläge, alle schlugen fehl.
Letztendlich waren es Juden, Homosexuelle, Behinderte etc. welche die
Todesstrafe erhielten. Warum ist das so? Weil so etwas immer von
ideologischen Machthabern instrumentalisiert werden wird. Diese
Mittel - ausgerechnet in der momentanen politischen Situation -
einzuführen, würde das dritte Reich - in einer modernen Aufmachung -
viel eher zum Leben erwecken, was keiner haben möchte. 

Ich hatte darauf gewartet, dass einmal im Radio diskutiert würde, wie
falsch Gefängnisstrafen sind. Es gibt andere Möglichkeiten, Menschen
abgesichert unterzubringen, wobei man ihnen dabei gleichzeitig helfen
kann, ihre Probleme zu bewältigen. Ja, das ist möglich, sofern man
dazu bereit ist. Zumindest insofern als die Menschen in der
jeweiligen Kultur nicht zu unethischen Ausfluchtsversuchen geradezu
angestachelt werden, um sie anschließend bestrafen zu können.
Allerdings ein Gesichtspunkt, der ja in ebendiesen Themenbereich
hineinfliest. Man weiß in der Pädagogik seit geraumer Zeit, dass
Strafe keinen positiven Effekt hinsichtlich der Verbesserung des
Verhaltens hat. In der Gesetzgebung ist dies scheinbar gänzlich
unbekannt. Aber der Effekt als aktivistische Motivation für das Volk?
Interessiert das irgendjemanden, wie effektiv das Rechtswesen ist, wo
es doch so genugtuend sein kann? Nur wo ist hierbei der Nutzen für
die Opfer, die hätten verschont werden können? Interesse an
effektivem Rechtswesen, momentan trifft das nur auf einen geringen
Teil der Bevölkerung zu. Der nämlich, der noch kritisch denken kann.
Aber hier trifft mal wieder Arthur Schopenhauers Zitat wie die Faust
auf's Auge - und Anrufer haben es unterstrichen - "Denken können nur
sehr wenige, aber Meinungen wollen sie alle haben". Die Todes"strafe"
ist noch nicht einmal solch eine ineffektive Strafe; sie ist
überhaupt keine Strafe. Und es ist aus der Erfahrung in
praktizierenden Ländern bekannt, dass es Menschen, die nicht viel zu
verlieren haben, nicht abschreckt, sondern geradezu motiviert, eine
Straftat zu begehen. Unser aller Aufgabe sollte sein, Probleme zu
LÖSEN. Da kann man nicht einfach sagen, "'solche' Menschen sind
schlecht, also in den Mülleimer damit". Ja, am besten wir machen das
gleich mit unseren Kindern. Wenn ein Kind nicht spurt, weg damit.
Später würde das Kind sowieso ein Kinderschänder, weil ja niemand die
Motivation hat, sich darum zu kümmern, und Therapie sowieso nichts
nützt. So geht das einfach nicht! Diese ganze Sache erinnert mich an
den "War on Terror", wie sie ihn damals auf CNN genannt hatten. Warum
sagten sie damals nicht "War on War", oder "Terrorizing the Terror".
Wie jetzt ernsthaft "Todesstrafe für Mörder" zu einem Thema gemacht
wird, ist mir rätselhaft. 

Ist denn die Frage hier nicht: Warum gibt es "solche" bösen Menschen
überhaupt? Nein, nicht ganz. Die Frage ist ein bisschen eine andere:
Warum gibt es sie in gewissen anderen Kulturen NICHT? Etlichen
Naturvölkern sind, die hier bei uns in der kapitalistischen Welt
alltäglichen Gepflogenheiten wie Vergewaltigungen, Schlägereien,
Morde, Todesstrafen etc. überhaupt nicht vertraut*0. Ein Mensch ist
von Natur aus zunächst einmal gut. Niemand wird als “Monster”
geboren. Ich arbeite nun seit drei Jahren im erzieherischen Bereich,
da ist es mir ungefähr bekannt, wie es zu "Problemkindern" kommt. Die
gegenwärtige Politik ist ganz schön pervers, was das angeht, und weiß
insgeheim über seine Rolle in dieser Entwicklung bescheid.
"Frühförderung", die die Entwicklung von Menschlichkeit
beeinträchtigt und Kinder mit akademischem Wissen überfordert, sei
mal nur ein Beispiel. Sieht man die Zusammenhänge, die zum Übel
führen, müsste man sagen, man müsste die Politik an den Galgen
hängen. Ist das durchführbar? Ist es Sinnvoll? Kommt dadurch eine
bessere Politik?

Man kann nicht so einfach Gott spielen. Der Respekt vor dem Leben
geht daran zugrunde. Falsche Urteile kann man nicht rückgängig
machen. In Amerika häufen sich derartige Fälle. Auch von Menschen,
die Höllenqualen litten, weil etwas mit der Anwendung der
Todesspritze nicht in Ordnung war. Es wird sich später keine
bedeutende Gruppe von Menschen finden, die sich um die Form der
Exekution von sogebranntmarktem “Abschaum” kümmern wird. Es gab Fälle
von Menschen, die 20 Minuten bis über eine Stunde im Prozess des
Krepierens waren*1, weil man mit den üblichen Methoden die Exekution
nicht ordnungsgemäß druchführen konnte, oder wollte, wobei viele von
ihnen aufgrund der Relaxie ihre höllischen Schmerzen nicht zeigen
konnten. Ganz egal WELCHER Mensch da qualvoll vernichtet wird; wen
das aufgeilt, der braucht Psychotherapie.

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