Dein Finger liegt auf der Wunde, die Schlussfolgerung ist aber mE falsch.
Es sind die Medien, die am Ende etwas hochköcheln lassen oder eben "unter den Tisch fallen lassen". Die Medien spielen sich bisweilen zu Richtern und Henkern auf, indem sie sich erlauben ein Urteil zu fällen, bevor die Sachlage klar ist. "Übertriebene Polizeigewalt" konnte man durchaus in der Vergangenheit beobachten, ich erinnere da an mit Wasserwerfern geblendete Personen oder aus Rollstühlen gezerrte Demonstranten. Eine Rechtfertigung gab es damals nicht, eine offizielle Entschuldigung steht auch aus.
Für mich macht's aber durchaus einen Unterschied, ob man einen Demonstranten niederringt, dessen "Verbrechen" an der Teilnahme an einer unliebsamen Protestveranstaltung (z.B. gegen Stuttgart 21 oder Corona-Proteste) besteht, oder einen Bewaffneten, der bereits mehrere Menschen verletzt hat und eine Bedrohung für die Allgemeinheit darstellt, wie auch die Polizeibeamten vor Ort. Und aus dem Grunde gehört der Bewaffnete eben so schnell wie möglich festgenommen, ohne dass die Beamten sich selbst gefährten müssen.
Zum Thema "Gummigeschosse" kann man ja sich informieren: die sind völlig ausreichend, um als "Anti-Riot"-Geschosse eine Menge auseinanderzutreiben oder jemanden durch Schockwirkung zu veranlassen, seine Waffe fallenzulassen*. Und dann sollte schleunigst der Zugriff erfolgen, bevor der dringend Tatverdächtige seine Waffe wieder in die Hand nimmt.
Aber auch der Einsatz der Dienstwaffe mit regulären Geschossen ist "verhältnismäßig", wenn der Polizeibeamte unmittelbarer Bedrohung für Leib und Leben ausgesetzt ist - solange er nicht das ganze Magazin in den Angreifer entlädt oder gezielt tödliche Schüsse abgibt. Zwei Treffer im Bein lassen den Angreifer auch niedergehen (verhältnismäßig), es müssen also keine Kopfschüsse sein (unverhältnismäßig). Sollte dann, trotz bewusst nichttödlicher Anwendung der Schusswaffe der Angreifer versterben, aus x Gründen, dann ist das immernoch mit Notwehr begründbar. Nur ist halt in Deutschland der Papierkrieg enorm, den der Polizeibeamte bewältigen muss, wenn er zur Dienstwaffe greift, einschließlich Untersuchung und potentielle Suspendierung, bis sich herausstellt, der Schusswaffeneinsatz war gerechtfertigt. Und das kann eben dazu führen, dass zu wenig statt zu viel zur Waffe gegriffen wird und die Polizisten sich in unnötige Gefahr begeben.
* Es reicht übrigens auch eine Schreckschusswaffe aus, um die allermeisten Menschen zur Räson zu bringen. Stichwort "Anscheinswaffe": die meisten Menschen können nicht erkennen, ob die gezogene Waffe eine echte, tödliche Waffe ist oder eben nicht. Deshalb darf so'n Ding auch nicht "einfach so" in der Öffentlichkeit hergezeigt werden. Auch ein Polizist kann nicht aus der Entfernung erkennen, ob es sich um eine echte Waffe handelt oder eine Schreckschusspistole. Das gilt AUCH für realistisch aussehende Softair-"Waffen".
Jeder halbwegs normale Mensch sollte es vorziehen, lieber klein beizugeben, statt die Wette einzugehen, dass der Polizeibeamte nicht doch a) eine Schusswaffe statt einer Schreckschusswaffe zieht und b) statt Gummigeschosse eben reguläre Munition geladen hat.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (03.06.2024 23:27).