Leichtmatrose schrieb am 21.11.2022 11:10:
Der Kulturkampf in den USA läuft mindestens seit 20 Jahren. Auch die Fokussierung der Demokraten auf die Außenpolitik (bzw. ihre relative Inaktivität in der Sozial- und Innenpolitik) sind nichts Neues.
Wer die US-Politik der letzten 20 Jahre beobachtet, sollte zum Schluss kommen, dass die Demokraten mannigfaltige Versuche unternommen haben, die Sozial- und Innenpolitik der USA voranzubringen. Diese Versuche wurden regelmäßig durch den Kongress konterkariert - zumeist (aber in der Tat nicht immer) durch relative republikanische Mehrheiten einerseits, aber auch andererseits aufgrund der stets fehlenden 2/3-Mehrheit im Senat ohne die die wirklich großen Vorhaben nicht umgesetzt werden können. Letzteres in ein krasser Geburtsfehler der US-Demokratie, der das Land effektiv lähmt.
Eher beobachte ich z.Z. eine gewisse Ermüdung im Kulturkampf, die jeweiligen Gestaltungsmöglichkeiten der beiden Parteien scheinen irgendwie zur Genüge ausgetestet.
Aus meiner Sicht wird der "Kulturkampf" in erster Linie von rechts als Abwehrkampf gegen die schwindenden Privilegien von Männern anglo-amerikanischer Abstammung geführt - bis hin zu ständig wiederkehrendem Geraune über einen bevorstehenden Bürgerkrieg und diversen Umsturzfantasien rechter Vordenker (Beispiel: Curtis Yarvin*).
Es ist zwar richtig, dass auch Vorschläge von liberaler Seite teilweise weit über das Ziel hinausschießen, das sind idR. aber keine Mehrheitsmeinungen bei den Demokraten (im Gegensatz zu den antidemokratischen Positionen der MAGA-Bewegung). Die Forderungen nach Sozialversicherungen und sozialer Teilhabe von Minderheiten nach europäischen Vorbild können jedenfalls seriöserweise nicht Kommunismus bezeichnet werden.
Flinx
*) https://www.vox.com/policy-and-politics/23373795/curtis-yarvin-neoreaction-redpill-moldbug