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  • kemmerich

mehr als 1000 Beiträge seit 11.02.2020

Zu schlechter Politik gezwungen

Kapitalismus funktioniert nur, wenn investiert wird. Vielleicht gibt es bessere Wirtschaftssysteme (ich kenne zwar keines, aber gut, vielleicht gibt es das), nur leben wir derzeit im Kapitalismus und können das auch kaum ändern. Und solange wir's nicht ändern können (wollen wir auch gar nicht, weil's normalerweise ja super läuft), sind Investitionen Pflicht. Kapitalismus ist dynamisch, nicht statisch. Die Investitionen von heute sind der Wohlstand von morgen. Die klügeren unter den Journalisten sind schon längst darauf gekommen, dass das größere Vergehen an der kommenden Generation nicht ein zu hoher Schuldenstand, sondern ein heruntergewirtschaftetes Land ist.

Wenn nun die Wirtschaft nicht investiert, muss es vorübergehend der Staat tun (so, wie er es immer tut, wenn gerade Krise ist). Kann er aber nicht, der glorreichen Schuldenbremse sei Dank. Robert Habeck scheint das verstanden zu haben, geradezu verzweifelt wirkt sein Vorschlag eines Investitionsfonds. Man kann geradezu mit Händen greifen, wie die Union - aus rein wahltaktischen Gründen, das muss man sich mal reinziehen! - die Ampel am langen Arm verhungern lässt und Deutschlands wirtschaftlichen Niedergang dabei in Kauf nimmt; Hauptsache, man kommt selber wieder an die Macht.

Das erste, was die Union tun wird: Versuchen, Mehrheiten für eine "Reform" der Schuldenbremse zu organisieren, damit man selber diejenige Handlungsfreiheit bekommt, die man der Ampel durch Klagen beim BVerfG genommen hat. (Nicht falsch verstehen: Das BVerfG ist wichtig, und es hat korrekt geurteilt, keine Frage. Aber es hat auch durch die Blume gesagt: "Wenn ihr so blöd seid, eine Schuldenbremse ins Gesetz zu schreiben, dann müsst ihr damit klarkommen - nehmt sie doch einfach wieder raus, ihr Clowns...").

Alternativen zur Lockerung der Schuldenbremse? Ja, da gibt es ja noch den anderen Wahlkampfschlager, dessen sich die Union, insbesondere aber die FDP bedient: Der Staat könnte ja investieren, wenn die Sozialausgaben nicht so hoch wären! Und weil man an den größten Teil der Sozialausgaben gar nicht rangehen kann, sollen es - natürlich, wer sonst? - einmal mehr die Sozialhilfeempfänger richten. Praktisch ist dabei, dass die sich nicht wehren (können). Übersehen bzw. verschwiegen wird allerdings, dass selbst die jüngst von Lindner angedachten Grausamkeiten nur ein paar Milliarden rausquetschen würden; gebraucht wird aber erheblich mehr. Außerdem haben Kürzungen im Sozialbereich Auswirkungen auch auf die Löhne der abhängig Beschäftigten, also auf den Konsum - was wiederum der Wirtschaft unmittelbar schadet.

Wir sehen: Bessere Politik wäre möglich. Aber die müssen die Wähler wollen. Denn Parteien führen nicht, sondern tun letztendlich das, was vom Volk goutiert wird. Auch wenn's falsch ist, gnadenlos.

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