Vor Münte kam das von Bebel (Die Frau und der Sozialismus).
Das ist richtig und falsch zugleich ... denn wie üblich ist auch dieses Zitat aus dem Zusammenhang gerissen. Vollständig lautet es:
Der Sozialismus stimmt mit der Bibel darin überein, wenn diese sagt: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Aber die Arbeit soll auch nützliche, produktive Tätigkeit sein. Die neue Gesellschaft wird also verlangen, daß jeder eine bestimmte industrielle, gewerbliche, ackerbauliche oder sonstige nützliche Tätigkeit ergreift, durch die er eine bestimmte Arbeitsleistung für die Befriedigung vorhandener Bedürfnisse vollzieht. Ohne Arbeit kein Genuß, keine Arbeit ohne Genuß. Indem alle verpflichtet sind zu arbeiten, haben alle das gleiche Interesse, drei Bedingungen bei der Arbeit erfüllt zu sehen. Erstens, daß die Arbeit im Zeitmaß mäßig sei und keinen überanstrengt; zweitens, daß sie möglichst angenehm ist und Abwechslung bietet; drittens, daß sie möglichst ergiebig ist, weil davon das Maß der Arbeitszeit und das Maß der Genüsse abhängt.
-- August Bebel, "Die Frau und der Sozialismus", 1879
Arbeit soll also:
(1) zwingend für jeden sein
(2) zwingend nützlich für die Gesellschaft sein
(3) zwingend für den Arbeitenden erfüllend sein
(4) zwingend mäßig sein
(5) zwingend abwechslungsreich sein
Damit verfolgte schon Bebel (und vor ihm auch Marx) den gleichen Ansatz, den heutige "Grundlagenforschung" immer und immer wieder bestätigt: "Der Mensch braucht Arbeit, um sich selbst zu definieren. Diese Arbeit kann, muss aber nicht, 'Erwerbsarbeit' sein. Auch ein - Achtung! - erfüllendes Hobby besitzt den geforderten Ausgleichs- und Definitionswert."
Konservative (dazu gehören seit 1914 auch die Spezialdemokraten) reduzieren es dabei gern und mit Vorliebe auf den Punkt (1). Das mag ihrer geistigen Immobilität geschuldet sein; es könnte aber auch unter "reaktionärer Propaganda" subsumiert werden.
Münte hat also nur abgeschrieben.
Mit der - absichtlichen (Müntefering ist auf einer Podiumsdiskussion darauf hingewiesen worden, wies den Einwand jedoch in seiner typischen Burschikosität zurück) - Verkürzung ist die SPD also bei der NSDAP angekommen, die diesen Spruch als "Arbeit macht frei!" plakativ polemisch - heute würden wir wohl "populistisch" sagen - ummünzte und als "ideelle Eigenleistung" verbreitete.
Richtig müsste es also heißen: "Vor Müntefering kam es von Hitler. Und Hitler hatte es bei Bebel selektiv kopiert, um seiner Partei den damals erforderlichen 'sozialen Anstrich' zu verpassen." (Auch das ist etwas, das die SPD gern kopiert, wenn sie - wie auch jetzt wieder - stets vor Wahlen ihr sozialdemokratisches Herz entdeckt; und - wie einst die NSDAP - direkt nach den Wahlen wieder einmottet.)
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (17.03.2017 21:40).